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Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Titel: Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Scheiße«, stöhnte er laut, heftig um Luft ringend. »Wissen Sie, was das für mich bedeutet, dieses widerliche, glitschige Zeug, in dem ich beinahe ertrank?«
    »Maultaschen?«
    »Ja«, brüllte der Mann mit lauter, sich überschlagender Stimme, »Maul …« Er verstummte mitten im Wort, starrte sie mit entgeisterter Miene an.
    Sie wusste nicht, was genau ihn so sehr erregte, fürchtete um seine Psyche. Der schnappt über, überlegte sie, beende das Spiel und kümmere dich um den Arzt. Der Überfall setzt ihm dermaßen zu, der ist am Rand der Hysterie.
    »Wissen Sie, wie mir die ganze Zeit zumute war?« Allmenger schien sich für einen Moment gefangen zu haben, flüsterte in nur schwer verständlicher Lautstärke. »Die stülpten mir den Sack über den Kopf, warfen mich in die Badewanne und schnallten mich an der Einstiegshilfe, die ich damals für meine Mutter habe einbauen lassen, fest. Ich kämpfte die ganze Zeit um mein Leben, war ständig am Ertrinken. Wissen Sie, wie ich mich fühlte, wie es mir ging, mitten in dieser stinkenden Brühe, diesem widerlichen …« Er brach mitten im Satz ab, starrte an die Wand des Zimmers, schlug sich mit der rechten Hand an die Stirn. »Nein«, Allmenger stöhnte laut, »woher sollen Sie das auch wissen, woher?« Er wandte ihr seinen Blick wieder zu, musterte sie mit großen, hin und her flackernden Augen.
    Der wird hysterisch, arbeitete es in ihr, der verliert seinen Verstand.
    »Maultaschen, deswegen geriet ich von Anfang an so in Panik, die müssen …«
    Neundorf kämpfte mit sich, den Arzt zu rufen oder nicht, sah, wie der Mann erneut zu einer Erklärung ansetzte.
    »Maultaschen. Ich ekle mich vor dem Zeug seit meiner frühesten Kindheit. Sie dürfen mir alles anbieten, nur das nicht. Ich hätte eine Phobie, hat mir ein Arzt vor ein paar Jahren erklärt, eine tief in meinem Inneren sitzende, mit rationalen Überlegungen nicht zu bekämpfende Abscheu vor dem Zeug. Er schlug mir eine Therapie vor, dagegen anzugehen. Ich lehnte sie ab.«
    »Sie leiden unter einer Phobie vor …« Neundorf stockte, verzichtete darauf, den Begriff zu artikulieren. »Und, wenn ich fragen darf, Sie wissen, weshalb?«
    Allmenger stöhnte erneut auf, blies Luft von sich. Seine Miene schien sich leicht zu entspannen. »Ich war noch ein kleiner Junge. Unser damaliger Nachbar ist daran schuld. Er machte sich einen Spaß daraus, mir einzureden, beim Inhalt des Zeugs handle es sich nicht um normales Fleisch, sondern um tote, zermanschte Schnecken, Käfer und anderes Ungeziefer. Die Metzger packten die nur in Nudelteig, um den wahren Inhalt zu verschleiern. Die Leute seien so blöd, zu glauben, es handle sich um normales Fleisch. In Wirklichkeit ginge es denen nur darum, viel Geld zu verdienen.«
    »Und Sie waren ein kleines Kind und haben das geglaubt.«
    »Geglaubt? Ich war fünf oder sechs Jahre alt, da hat er mir das gezeigt. Vor meinen Augen mehrere von den Dingern aufgehackt, mit einem Messer aufgeschnitten und mir die toten Käfer präsentiert. Mir läuft jetzt noch Gänsehaut über den Rücken, wenn ich nur daran denke.«
    »Er hatte das Zeug präpariert?«
    »Muss ja wohl so gewesen sein, nicht? Aber damals habe ich ihm das abgenommen. Und es ging mir in Fleisch und Blut über, meine Mutter und mein Vater konnten auf mich einreden, so viel sie wollten. Seitdem kann ich das Zeug nicht mehr sehen, geschweige denn essen. Das ist mein Trauma, so wie andere Leute sich vor Spinat oder Schnecken ekeln.«
    »Dieser Nachbar. Warum …«
    »Warum er das getan hat?« Allmenger hatte sich wieder gefangen, atmete kräftig durch. »Er war alleinstehend, hasste Kinder. Das haben jedenfalls meine Eltern später erzählt. Er rief oft die Polizei, wenn wir Fußball spielten, ließ uns von den Beamten ermahnen. Keine Ahnung, was aus dem Kerl wurde.«
    »Wer weiß von diesem … Trauma, diesem Problem?«
    Der Mann schaute an Neundorf vorbei, schüttelte den Kopf. »Sie meinen, auf diese Weise die Verbrecher …« Er wandte sich ihr zu, fuhr sich mit der Hand über die Brust. »Niemand. Das habe ich so gut wie noch nie jemandem erzählt.«
    Die Kommissarin schürzte die Lippen. »So gut wie noch nie«, wiederholte sie. »So gut wie noch nie.«
    Allmenger schnappte nach Luft. »Mein Gott. Sie glauben, die müssen mich kennen?«
    Neundorf nickte. »Allerdings. Sehr gut sogar.«

12. Kapitel
    Dr. Otto Genkinger war gerade dabei, den letzten Patienten des Tages samt dessen Herrin zu verabschieden, als Braig vor dem

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