Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
fahren. Genau das, was ihm passiert ist. Wir haben genügend Zeugen dafür.«
»Mein Gott, Sie kapieren wohl überhaupt nichts, was? Ich werde seit Wochen von meinem Alten bedroht, bin mit Wunden und Verletzungen am ganzen Körper übersät, weil der mir beinahe sämtliche Knochen gebrochen hat, und dann habe ich nichts anderes zu tun, als dem Schwein, dem ich das alles zu verdanken habe, hinterherzujagen und es von der Geigelfinger Steige zu drängen? Wie soll das funktionieren, bitte?«
»Seit wann werden Sie von ihrem Mann bedroht?«, fragte er.
Vanessa Reuter kaute mürrisch zu Ende, warf ihm vorwurfsvolle Blicke zu. »Das habe ich Ihnen doch alles erzählt. Seit er mich mit Christian aus dem Hotel kommen sah. Arm in Arm.«
»Fitterling war der Auslöser?«
»Bravo. Sie haben es kapiert.«
»Und wann war das?«
Die Frau musste nicht lange überlegen. Das Datum hatte sich ihr offensichtlich eingeprägt. »Am 14. März dieses Jahres.«
»Vor knapp fünf Monaten«, überlegte er.
Sie nickte. »Seither bin ich auf der Flucht. Er hat mich zweimal halb tot geschlagen.« Sie hatte die Gabel aus der Hand gelegt, deutete auf ihre Wange. »Das war im Mai. Wird wohl immer etwas davon zurückbleiben, meint der Arzt. Sozusagen als Erinnerung an meinen Alten.«
»Wo ist er jetzt? Sie haben keine Angst, dass er plötzlich vor Ihnen steht, hier mitten in der Stadt?«
Vanessa Reuter schüttelte den Kopf. »Normalerweise ist er auf Montage irgendwo in Arabien. Baut Straßen für einen Konzern. Zur Zeit aber ist er gerade auf Heimaturlaub. Das weiß ich von meinem Bruder. Der informiert mich nämlich sofort, wenn er kommt. Die beiden verstehen sich nach wie vor gut. Die gießen sich fast jeden Abend einen hinter die Binde, bis sie sternhagelvoll sind. Teddy ruft mich ständig an, solange mein Alter im Land ist.«
»Zur Zeit ist er hier in Ludwigsburg?«
»Doch nicht in Ludwigsburg. Wir leben in Ulm. Ludwigsburg ist sozusagen mein Zufluchtsort. Mein Alter weiß nichts davon. Eine Freundin hat mir einen neuen Arbeitsplatz beschafft, das hat sich zufällig so ergeben. Ich bin erst seit zwei Wochen hier.« Vanessa Reuter nahm ihre Gabel wieder auf, aß den Rest des Salates. »Wann ist das mit Christian passiert? Gestern?«
Aupperle schüttelte den Kopf. »Vorgestern am späten Abend oder in der Nacht.«
»Sehen Sie.« Sie hielt mitten im Kauen inne. »Das trifft sich gut. Vorgestern am späten Abend. Da habe ich ein wasserdichtes Alibi, oder wie Sie das bei der Polizei so nennen. Da saß ich mit meiner Freundin und deren Mutter zusammen. Den ganzen Abend, bis in die Nacht. Bei denen wohne ich nämlich. Die werden das garantiert bezeugen. Ich gebe Ihnen gerne ihre Nummer.«
Er runzelte die Stirn, sah ein, dass er ihrem Angebot nachkommen musste, auch wenn er sich die Sache anders ausgemalt hatte. Das angebliche Alibi konnte abgesprochen sein, sprach die Frau nicht automatisch von jedem Verdacht frei. Andererseits war durch ihre Ausführungen aber eine weitere Person in das mögliche Tatumfeld gerückt, die bisher – jedenfalls seinem Aktenstudium und dem ausführlichen Gespräch mit seinem Kollegen Braig nach – völlig außen vor geblieben war. »Ihr ehemaliger Mann, hegt er nur Aggressionen gegen Sie oder auch gegen …«
»Christian?«, fiel sie ihm, das letzte Salatblatt kauend, ins Wort.
Aupperle nickte zustimmend. »Fitterling, genau.«
»Er hat versucht, ihn zu überfahren.«
Aupperle rutschte das Glas aus der Hand, das er gerade aufgenommen hatte. Ein Schwall bräunliches Cola schwappte über den Rand, klatschte auf den Tisch. Er achtete nicht auf die Flüssigkeit, konzentrierte seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Frau an seinem Tisch. »Wann war das?«
»Im Mai, in Pfullingen. Mein Alter war zurück aus Arabien, beschattete uns.«
»Was ist passiert?«
»Christian war aus dem Auto gestiegen, wie wollten in eine Kneipe. Da raste er auf ihn zu. Christian konnte gerade noch zur Seite springen.«
»Er wurde nicht verhaftet?«
»Christian wollte kein Aufsehen. Außer mir war niemand dabei. Keine Polizei, beharrte er, er konnte alles gebrauchen, nur keine schlechte Publicity. Die Firma, verstehen Sie, seine Firma. Er wollte sie verkaufen, damals jedenfalls, wie die Sache zur Zeit steht, weiß ich nicht. Er wollte es vermeiden, irgendwie mit Polizei und so in Verbindung gebracht zu werden. ›Das drückt den Preis, verstehst du‹, sagte er immer. Dann haben die uns noch stärker in der Hand. Alles, nur
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