Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
kein zusätzliches Aufsehen. Deswegen hielten wir still.«
»Und Sie haben die Angriffe Ihres ehemaligen Mannes nicht zur Anzeige gebracht?«
Vanessa Reuter legte die Gabel zurück, wischte sich mit der Serviette über den Mund. »Kurz darauf war die Sache mit Christian vorbei. Die Beziehung mit mir war ihm zu anstrengend und zu gefährlich. Meinte er.«
Aupperle tupfte mit einem Papiertaschentuch den Tisch sauber, atmete tief durch. »Ihr Ex ist gemeingefährlich, oder?« Er wartete auf eine Antwort, sah, wie sie mit sich kämpfte. »Er weiß von Ihrer Trennung von Fitterling?«
»Woher?« Sie schüttelte den Kopf. »Glauben Sie, ich rede noch ein Wort mit dem Kerl?«
»Seit wann ist er wieder hier?«
»Seit Sonntag ist er wieder im Land. Mein Bruder hat mich sofort informiert.«
»Seit Sonntag.« Aupperle war sich sofort bewusst, was das bedeuten konnte. Fitterling war am späten Dienstagabend von der Straße abgedrängt worden, zwei Tage nach der Rückkehr dieses gemeingefährlichen Rächers, der schon einmal einen Versuch unternommen hatte, ihn zu überfahren. Er musste sofort Braig und Neundorf informieren und sie über das Ergebnis seiner Ermittlungen unterrichten.
»Sind Sie jetzt zufrieden?«, riss ihn die Frau aus seinen Gedanken. »Meine Mittagspause geht langsam zu Ende.«
Er versuchte, sich das Gespräch mit seinem Kollegen Braig vom Morgen noch mal in Erinnerung zu rufen, überflog insgeheim die Liste der ihm aufgetragenen Fragen, als es ihm einfiel. »Allmenger«, fragte er, »kennen Sie einen Mann namens Roland Allmenger?«
Das Gesicht der Frau sprach Bände. »Wer soll das sein?«
»Sie haben noch nie mit ihm zu tun gehabt?«
»Allmenger? Nein, tut mir leid.« Sie schüttelte den Kopf.
Aupperle griff zu seinem Glas, trank den Rest. Süßes, süffiges Cola. Die junge Bedienung trat an den Tisch, fragte, ob sie noch etwas servieren dürfe, eilte mit dem Teller und den Gläsern davon. Er schaute ihr nach, betrachtete ihr schaukelndes Hinterteil. Doch, überlegte er, der kurze Trip nach Ludwigsburg hatte sich gelohnt. Vielleicht nicht unbedingt privat, wohl aber beruflich. Und das war ja der eigentliche Grund, weshalb er den Mittag auf dem stimmungsvollen Marktplatz der Barockstadt verbracht hatte.
14. Kapitel
Nein, mit Margarethe Maultasch, der 1318 geborenen Herzogin von Kärnten und Gräfin von Tirol, haben die schwäbischen Maultaschen wohl nichts zu tun. Diese junge Frau, die ihrer auffälligen Mundpartie wegen den Beinamen »Maultasch« erhalten haben soll, war im Alter von zwölf Jahren mit Johann von Tirol verheiratet worden – eine allein zum Zweck des Machterhalts geschlossene Verbindung. Romantische Liebesvorstellungen hatten in diesen Kreisen keinen Anspruch auf Verwirklichung.
Dass sich Margarethe Maultasch ihres zum Zeitpunkt der Hochzeit erst acht Jahre jungen Angetrauten nach zehnjährigem Ehemartyrium zu entledigen wagte, indem sie ihm nach längerem Ausritt mit Unterstützung mehrerer Adliger einfach das Burgtor nicht mehr öffnete und ihn des Landes verweisen ließ, machte sie weit über die Grenzen hinaus bekannt. Als die lebenslustige Frau dann ein halbes Jahr später ohne Ehescheidung Ludwig den Brandenburger heiratete und diesem in der Folgezeit auch noch mehrere Töchter und Söhne schenkte, ohne beim obersten Sittenwächter in Rom um Erlaubnis nachgesucht zu haben, zog sie sich dessen heiligen Zorn zu. So viel aufrüherisches Verhalten musste im Keim erstickt werden. Prompt verhängte der Papst den Bann über Margarethe Maultasch und ihre Familie.
Möglicherweise hat die Entstehung der schwäbischen Maultasche aber dennoch mit dieser seit bald 2000 Jahren praktizierten Überwachungsmanie der katholischen Kirche zu tun. Wie viele Mönche und Nonnen in der langen Fastenzeit zwischen Fastnacht und Ostern über die Jahrhunderte hinweg von dem Wunsch beseelt waren, sich endlich wieder einen saftigen Happen Fleisch einzuverleiben, eine Speise, die in diesen Wochen streng verboten war, bleibt ein niemals zu lüftendes Geheimnis. Der Legende nach sei es den Zisterziensern des im westlichsten Zipfel Schwabens gelegenen Klosters Maulbronn in langen, schlaflosen Nächten gelungen, einen Weg aus diesem Dilemma zu finden. Um sich ihren illegalen Wunschtraum ungestraft erfüllen zu können, habe man in der Klosterküche die Vorräte an Fleisch und Wurst insgeheim in kleine Stücke zerhackt und in Nudelteig verpackt und dann die äußerlich unsichtbare Füllung voller
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