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BRAINFUCK

BRAINFUCK

Titel: BRAINFUCK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Berger
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kleiner See. Ich erinnere mich, mich hier auf die Bank gesetzt zu haben.
    Die Sonne steht tief über den Häusern und macht sich daran, hinter ihnen zu verschwinden. Geschäftig eilen Leute mit Einkaufstaschen an mir vorbei, beachten mich nicht. Ein älteres Ehepaar mit zwei großen Rollkoffern ist vermutlich auf dem Weg zum Bahnhof. Jugendliche spielen Frisbee auf dem Rasen. Um eine abseits stehende Bank hat sich eine Gruppe abgerissen aussehender Gestalten versammelt, eine Weinflasche kreist.
    Einer der Männer löst sich aus der Gruppe und steuert auf mich zu. Er ist groß und fürchterlich dünn, trägt eine verwaschene Jeans und ein ehemals weißes, über dem Nabel geknotetes Hemd, über dessen Kragen sich schmierige braune Locken kringeln. An seiner Schulter hängt eine Stofftasche, die deutliche Flecken unbestimmter Herkunft zeigt.
    »Haste 'ne Kippe für mich?«, fragt er, als er mich erreicht hat.
    »Ich … äh …« Ich taste meine Taschen ab.
    Bin ich Raucher? In der Innentasche meines Sakkos knistert etwas, ich finde eine halbvolle Packung Marlboro und biete ihm eine an.
    »Amerikanische«, stellt er mit einem Blick auf die Packung fest. »Warst' dort?«
    Diese Frage verwirrt mich. Nicht wegen der Tatsache, dass sie anstatt eines »Danke« gestellt wird, sondern weil ich sie nicht beantworten kann. Sollte mir dieses Unwissen nicht Sorgen bereiten? Offensichtlich tut es das nicht, also beschließe ich, mich weiter auf die Situation zu konzentrieren.
    »Sieht so aus«, gebe ich Auskunft, angle mir ebenfalls eine Zigarette und stecke sie mir an.
    Der tiefe Zug, den ich nehme, verstärkt meine Kopfschmerzen. Ich drücke den Glimmstängel aus. Unwillkürlich fasse ich mir an den Kopf.
    »Schädelbrummen?« Er kramt in der Gesäßtasche seiner Hose.
    »Ja, ein wenig«, erwidere ich und beobachte, wie er einen zerknüllten Streifen Tabletten hervorzaubert und mit schmutzigen Fingern zwei Pillen herausdrückt. Aus seinem Stoffbeutel zieht er eine angebrochene Weinflasche mit Schraubverschluss und präsentiert mir beides mit einem Grinsen.
    »Ob das gesund ist, Alkohol und Aspirin?«, frage ich und versuche, meinen Ekel nicht zu offen zu zeigen.
    »Vertrauen Sie Doktor Max!« Er zeigt abermals seine gelben Zähne und deutet theatralisch auf seine Brust, um mir zu verdeutlichen, dass mit »Doktor Max« er gemeint ist.
    Seine Bemerkung bringt mich in die Verlegenheit, mich vorstellen zu müssen. Seit ich mich hinter einem Gebüsch wiederfand, stelle ich mir die Frage: Wer bin ich?
    Der Versuch, meinen Namen in meinem Ausweis zu finden, scheiterte an der Tatsache, dass ich weder Brieftasche noch Papiere bei mir trug. Ungebräunte Stellen an Handgelenk und Ringfinger lassen mich vermuten, dass ich einen Ring und eine Armbanduhr besessen habe. War mein Name nicht etwas mit K? Klaus? Karl? Kai? ›Klaus‹ klingt am besten, finde ich.
    »Patient Klaus«, erkläre ich und imitiere seine Geste.
    Max hält mir noch immer die Flasche und die Tabletten hin. Ich wäge zwischen dem Risiko, mir eine Krankheit einzufangen, und den hartnäckigen Kopfschmerzen ab. Die Kopfschmerzen gewinnen. Mit einem kräftigen Schluck spüle ich die Aspirin hinunter. Der Wein entfaltet ein warmes Gefühl in meinem Magen.
    »Trink nur, ich hab noch 'ne Pulle!«, verkündet Max und klopft auf seinen Beutel.
    Ich nehme die Einladung an und trinke. Der Alkohol beschleunigt meine Gedanken. Wie finde ich heraus, wer ich bin? Da mein Handy ebenfalls verschwunden ist, kann ich niemanden anrufen und fragen.
    Den Gedanken, mich an die Polizei zu wenden, schiebe ich zur Seite, man würde mich zu meinem eigenen Schutz in eine Psychiatrie einweisen. Das sollte die allerletzte Möglichkeit sein. Bei dem Wort ›Polizei‹ beschleicht mich ein seltsames Gefühl.

    *

    Ein Scheppern hält mich vom Weiterspinnen ab. Max hat die leere Weinflasche in den Abfalleimer geworfen und öffnet die Zweite. Ich zupfe zwei Zigaretten aus der Packung, zünde sie an und halte Max eine davon hin. Er präsentiert mir zum Tausch die frisch geöffnete Flasche. Es beginnt, zu dämmern.
    »Ich muss mal pissen«, verkündet er und erhebt sich leicht schwankend.
    »Eine gute Idee!«, konstatiere ich.
    Ich folge ihm in eine Ecke des Parks, die dicht mit Gebüsch bewachsen ist. Als ich meinen Reißverschluss öffnen will, bekomme ich einen harten Schlag in den Rücken. Ich wirble herum. Max hat ein Springmesser gezogen, lässt es aufschnappen und vor meinem Gesicht zucken.
    »Die PIN

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