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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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schweigsame Gestalt mit Papiermütze ohne jedes Gebäck und Untertasse
in die Hand drückt, damit ich ihn im Angesicht verquollener Geschäftsreisender
auf dem Steinboden der Abflughalle in mich hinein schütte, das hat was
Dreistes. In diesem Falle etwas Dreistes mal zwei.
     
    Der Flieger war halb voll, kam gerade aus Pakistan und
verfügte weder über großzügig ausgelegte Tageszeitungen noch über Fluggäste,
die ihre Augen offen halten konnten. Die Leute lagen quer in den Sitzreihen,
schnarchten und interessierten sich keinen Deut für die Zwischenlandung in
Düsseldorf.
    Als wir Platz genommen hatten, wurde ein Film gestartet, der
betende Leute und startende Flugzeuge zeigte; eine überflüssige Show, da ich
ohnehin bei jedem Start eines Verkehrsflugzeuges, das mich transportiert,
meinen Schöpfer anflehe, er möge mich nicht am Erdboden zerschellen lassen.
    Meine Freundin las ungerührt eine Uralt-Ausgabe des
Theaterspiegels und machte auf cool. Oder sie war es. Ich fragte sie nicht, da
ich mich ganz auf meine Panik konzentrierte.
    Der Mann im Kaftan, dessen Kopf fast mein Bein berührte und
der eine arabische Operette schnarchte, vermochte mich auch nicht zu beruhigen.
    Jahre später las ich im FOCUS, dass Pakistan International
Airlines, was die Flugsicherheit betraf, noch hinter den Kampfjets in King
Kong rangierten und durchschnittlich alle zwei Jahre eine Maschine
verloren, und zwar nicht beim Roulette.
    Irgendwann wurde Mr. Bean durch einen Laserprojektor an eine
weiße Fläche geklatscht. Da kein Rauchverbot herrschte, war die Kabine von
herbstem Kräuternebel durchzogen, was Rowan Atkinsons Performance etwas von
einer Séance gab.
    Der Eindruck verflog allerdings nach achtmaliger
Wiederholung des halbstündigen Films.
     
    Über New Yorker Luftraum.
    Der pakistanische Pilot flog in seiner Warteschleife über
dem Kennedy-Airport derartig kecke Kunststückchen, dass ich erwog, die
Rückreise via Taxi, Tretboot und Zug zu bestreiten.
    Ich war nervlich im Ende, während mir ein Blick auf Tina,
die beim Pennen eine bezaubernde Spuckeblase produzierte, bestätigte, dass sie
die Ruhe selbst war.
    Die letzten sieben Stunden waren die Hölle gewesen. Irgendwo
überm Ozean hatte die Deckenverkleidung über mir begonnen, nervenaufreibend zu
vibrieren; erst verhalten und harmlos, so als wäre an einem Dreirad das
Schutzblech locker. Nach zwei Stunden hatte sich das Geräusch schließlich in
eine kreischende Kakophonie der Demontage verwandelt, und aus meiner
Kindheitserfahrung mit schlecht zusammengeleimten Düsenjägermodellen war mir
klar, dass die Maschine nicht nur in Auflösung begriffen war, sondern dass der
Verfall auch ausgerechnet über meinem Sitz begann.
    Tina hatte sich währenddessen im Tiefschlaf acht Schichten
Kirsch-Labello weg geleckt, ohne meine Todesängste wahrzunehmen.
     
    Die Taxifahrt in die City war im Verhältnis zum Düsseldorfer
Flughafenkaffee ein Schnäppchen. Die wenigen Sätze, die wir mit dem Cabdriver
wechselten, standen in Sinn und Freundlichkeit dem Gespräch, das Jonathan
Harker in Bram Stokers Dracula mit dem Kutscher führt, in nichts nach.
    Mr. Cabdriver: »HrrrfuckingCentralparkBitchwestside?«
    Ich: »Äh … yes.«
    Tina: »Was hat er gesagt?«
    Mr. Cabdriver: »FrrrrfuckingTouristsvacationffffrrweekend?«
    Ich: »Yes.«
    Tina: »Und jetzt?«
    Ich: »Nix. Schon gut.«
    Außerdem blaffte der Fahrer so wuchtig durch die gelochte
Sicherheitsscheibe, dass diese daraufhin beschlug und einen Duft nach
exotischen Gewürzen und altem Gurkensalat durch den Fond wehen ließ, eine
Impression, die vorzüglich zu den verfallenen Bauten passte, an denen wir
vorbeijagten.
    Bis wieder die überwältigende Kulisse Manhattans vor uns
erschien. Der kalte Dunst des amerikanischen Novembers umwehte die
Wolkenkratzer, deren Dächer beinahe in einem Gemisch aus Abgasen und frühem
Nebel verschwanden; das immerwährende Hupen umfing uns, eine nervige
Geräuschkulisse, die mir aber von jeher lieber war als Meeresrauschen mit
unterlegtem Macarena-Gejodel.
    »Was für ein Höllenlärm«, rümpfte Tina die Nase, und ich
entgegnete weltmännisch und mit dem größten Vergnügen:
    »Das ist New York, Baby!«
     
    Ein Hotel war schnell gefunden; New York ist im November
nicht eben ein Traumreiseziel, wenn man kein Einkäufer billiger Pokerblättchen oder
Serienmörder war.
    Ich entschied mich zur Schonung meines Geldbeutels – der
eigentlich eine sanft ausgebeulte Gesäßtasche voller Scheine war –

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