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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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gesund.«
    Sicher, dachte ich, sehr gesund – wenn im Angesicht des
Feindes siebentausend Kalorien über Leben und Tod entscheiden, klar.
    Was mich allerdings mehr beschäftigte, war nicht der
Sättigungsgehalt des Fleisches.
    Mich interessierte nur, von welchem Tier.
    Welches verdammte Tier?
    Es gab in Dortmund Kley einen Tierfriedhof, fiel mir ein,
und ein grausiges Bild entstand vor meinen Augen: Onkel Erwin in einem
bodenlangen Mantel, die altkluge Visage vom Licht einer Ölfackel angestrahlt,
wie er zwischen kniehohen Steinen herum stromert, auf denen »Kucki war lieb«
oder »Der Bulle Hanratty – er war zum Schluss ein bisschen komisch« steht. Ab
und zu fuhrwerkt er im Erdreich, zieht einen Kadaver ans Licht und versucht ihn
in eine mitgebrachte Tupperdose zu pressen.
    Ich schüttelte diese Vision ab.
    »Hab null Hunger, Onkel Erwin«, erwiderte ich.
    »Hömma«, sagte er, »du willst doch ordentlich Tinte auf’m
Füller, oder? Bald haste ne kleine Freundin, und dann wird Versteck-die-Wurst
gespielt. Willste dann zusammenklappen?«
    Es wurde ein opulenter Schmaus, wenn auch ohne Getränke. Ich
kauerte auf dem Boden und riss Stücke Bauchfleisch mit den Zähnen ab, während
ich überlegte, wo ein Vierzehnjähriger, der nur sieben Mark Taschengeld die
Woche bekommt, eine Schusswaffe kaufen könnte.
     
    Als der Grill ausgekühlt war, trug Erwin ihn selbst zurück;
mir war nicht recht wohl.
    Auf der Fahrt nach Hause schwiegen wir, und als ich unter
den Klängen von Ricky King aus dem Auto stieg, lachte Erwin. »War doch schön.
Wenn du willst, gehen wir nächste Woche schwimmen.« Ich stellte mir vor, wie er
mich vom Zehn-Meter-Brett stieß und »DAS GIBT VERDAMMT TINTE AUF’M FÜLLER«
hinterher brüllte, und erwiderte: »Mal sehen.«
    Als ich nach Hause kam, verzog meine Mutter kurz das
Gesicht.
    Ich hatte es fertig gebracht, im Hochsommer bleicher aus dem
Park zu kommen, als ich losgegangen war.
    »Ich hab Kuchen«, flötete meine Mutter.
    »Ich hab keinen Hunger, Mutti.«
    Sie schaute mich an.
    Dann ertönte dieses bedrohliche Geräusch.
    »Dein Magen knurrt aber«, sagte sie leicht besorgt.
    Ich ging in mein Zimmer; mein Magen revoltierte erneut.
    »Sitz!«, sagte ich und klopfte mir auf den Bauch.
    Dann ging ich schlafen.

Batman: Year One, Parterrewohnung
     
    Anspruch:              
**
    Metapherndichte:    **
    Lerneffekte:           
***
    Romantik:              
*
    Action:                   
**
    Sex:                        
*
     
    Onkel Erwins verstümmelte Hand senkte sich wie ein
fleischiger Minibagger in die Schale mit den Fischli.
    »Schön«, schnarrte er, »ich bin als Kind auch immer als
Pirat gegangen.«
    Meine Mutter hatte Erwin arglos die Tür geöffnet.
    »Er klingelt genau wie der Postbote«, hatte sie mit
verdrehten Augen hervorgestoßen. Dass ihre Argumentation an einem Samstagabend
irrwitzig war, schien sie nicht zu stören.
    Es war der Samstag vor Rosenmontag, und ich arbeitete mit
meiner Mutter an meinem Kostüm. Ein Kostüm, das Onkel Erwin einen Dreck anging,
dachte ich.
    Er dachte offensichtlich anders darüber.
    Onkel Erwin, der seinen graugrünen »Sportanzug«
furchterregend prall ausfüllte, brachte die Couch zum Quietschen, als er sich
ungefragt niederließ, wobei er den Stoff für mein Kostüm mit seinem ledrigen
Sitzfleisch entweihte.
    »Habt ihr was zum Knabbern?«, fragte er mit
blutunterlaufenem Blick auf die leere Schale, die auf dem Tisch stand.
    Meine Mutter hatte.
     
    Zu diesem Zeitpunkt konnte ich Erwin noch ignorieren. Ich
schnitt soeben die Zacken in den blauen Umhang, der mein Batman-Kostüm
komplettierte. Der Plan war, graue Strumpfhosen dazu zu tragen, und wenn man
Batman am Ende der Siebziger sein wollte, ging das in Ordnung. Wochentags unter
der Jeans war das was anderes; ein Wollmonstrum, das unproblematisches Pinkeln
in der Pause unmöglich machte, war kein bisschen rächermäßig.
    Mit den Gummistiefeln verhielt es sich ähnlich. Man trug sie
sommers wie winters, vor allem aber, wenn es warm war. Meine Mutter war
offensichtlich der Auffassung, dass Kids, die bei dreißig Grad draußen spielen
wollten, zwingend am Schaft zuschnürbare Nylonstiefel tragen sollten;
schließlich konnten sich die Schleusen des Himmels öffnen und das Ruhrgebiet
wadenhoch zuregnen, und Oma Ernas Selbstgestrickte wären dann im Eimer.
    Ich kam stets mit gluckernden Stiefeln heim, bis zu

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