Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
verstehe
ich eigentlich, einen alten Bauernschrank abzuschleifen – allerdings dämmert
mir, dass Rita das nicht zwingend anders sehen muss.
»Warum lasse ich mir das bieten?« frage ich, aber der
vollständig rasierte Dobermann, den sie mit Paketband an meinem Oberschenkel
festgezurrt hat, blickt mich nur an und zittert dabei.
Sein Gewicht hindert mich daran, meine Beine übereinander zu
schlagen, aber das wäre ohnehin unangenehm; wegen des Frolic, den sie mir mit
Superkleber auf den Sack montiert hat. Der Hund hat ihn entweder noch nicht
gesehen, oder er wartet auf irgendein Kommando, das ich nicht kenne.
Die Busladung mit den Asiaten, die fotografierend an mir
vorbei flanieren, stört mich nicht so sehr wie der Gummihandschuh auf meinem
Kopf. Das hat aber keine kosmetischen Gründe – juckt einfach böse am
Haaransatz.
Endlich kommt Hilfe: Die Gestalt an der Spitze der Retter
sieht übrigens aus wie Kai Pflaume.
Ein genauer Blick in das geschminkte Gesicht bestätigt: Es
ist Kai Pflaume.
»Mensch, Frank. Das ist ja schön, dich hier zu treffen, du«,
lächelt er, »ich hab hier eine Nachricht für dich. Na ja … Eigentlich sind es
zwei.«
»Ach«, sage ich; es klingt ein bisschen verwaschen, weil der
Lippenstift elendig fettet.
»Ja, Frank«, lacht Kai und klatscht mir seine
Moderatorenflosse auf die nackte Schulter.
Dann bekommt er diesen bekannten Blick des
verantwortungsvollen Karriereossis.
»Als Erstes: Rita gibt dir noch eine Chance, wenn du heute
beweisen kannst, dass du nicht so verklemmt bist, wie sie glaubt, ja?«
Ich nicke, und das Band des Lebkuchenherzens mit der
Aufschrift »Genetischer Abfall« schneidet mir in den Nacken.
»Das Zweite hängt mit dem Ersten zusammen.«
Ich überlege, wie diese Show noch heißt: Nur die Rache
zählt?
»Ist klar.«
Pflaume blickt kurz zur Kamera, dann sagt er:
»Satan – such!«
Satan beginnt zu suchen.
Unsere Beziehung läuft ganz gut seitdem.
Mein Horizont hat sich unfassbar erweitert – obwohl ich mir
immer noch wünsche, ich wäre in der Dusche ausgerutscht und hätte das alles nur
geträumt.
»Ich liebe dich«, sage ich deutlich und ernte einen treuen
Blick aus haselnussbraunen Augen.
Satan gibt mir in dieser Beziehung alles, was ich brauche:
Er hält die Schnauze, wenn ich es ihm sage, benimmt sich meinen Freunden
gegenüber völlig neutral und leckt meine Puddingbecher leer.
Nur wenn »Daktari« läuft, geht er etwas zu sehr aus sich
raus, aber das kriege ich meistens mit einem feuchten Lappen wieder hin.
Manchmal ruft Rita an.
Sie fragt dann, ob sie »kommen kann«, und ich antworte immer
»Klar. Aber nicht hier«, und Satan knurrt dazu ein leises Lied von Zweisamkeit
und Clarence, dem schielenden Löwen.
Mein Sohn
Anspruch:
*
Metapherndichte: **
Lerneffekte:
****
Romantik:
*
Action:
***
Sex:
*
Mein Sohn ist zehn Monate alt, aber er weiß schon, wie man
telefoniert, das kleine Genie.
Letzte Woche erwischte ich ihn, als er mit bauernschlauem
Gesichtsausdruck auf das Tastaturfeld des Telefons einpatschte, und wie durch
ein Wunder drückten die gnubbeligen Finger als erstes 0, 1, 9, 0 – gefolgt von
einer völlig sinnlosen Zahlenkolonne; ihm schien wohl die Konzentration
abhanden gekommen zu sein.
»Du Teufelskerl«, strich ich ihm über den Kopf und schickte
die Stimme der älteren Dame, die »Soll ich dir den Sack auspeitschen oder
willst du einen Wagenheber in deinen A…« brüllte, zurück in die Untiefen
gebührenpflichtiger Höllenkreise.
Er lächelte zahnlos und schlug sich auf sein Frottee-Shirt,
in dessen Zentrum ein drolliger Marienkäfer gestickt war, so als wäre die
kleine Brust von Stolz erfüllt.
Dann fütterte ich ihn.
Er mampfte die homogene Masse Löffel um Löffel, stutzte aber
kurz, als ich »und einen für Onkel Erwin« sagte; so ein schlaues Kind.
Einige Sachverhalte allerdings machen mich stutzig:
Mein Kind misst, vom Scheitel bis zur Sohle, 63 Zentimeter.
Wie also kann ein 100-Gramm-Glas lichten Milchbreis binnen
Minutenfrist einen so gedrungenen Körper durchwandern, um sich am anderen Ende
als ein Berg Scheiße zu manifestieren, der dem eines ausgewachsenen,
chinesischen Shar-Pei-Faltenwurfhundes würdig scheint?
Wie kann ein so rein instinktgesteuertes, zuckersüßes
Lebewesen nicht in der Lage sein, Farben
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