Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
da, rechtschaffen erbost, ein halbes Pfund
scharfkantiger Metallspäne im Pullover, und regte mich auf. Zu Recht, wie ich
noch immer meine.
»Ich meine nur, dass du noch etwa vier Wochen benötigen
wirst, um das Ding fertig zu kriegen. Rein kalendarisch ist Sankt Martin dann
gegessen.«
»Eine gut gemachte Laterne ist immer zu gebrauchen«,
erwiderte ich.
»Nee. Einmal, und dann eher nicht mehr«, sagte sie, wies auf
meinen Sohn und schaute mich dann an, »genau wie du.«
Ich malte HELLBOY professionell mit Acrylfarben aus. Dann
schnitt ich ein der Folie entsprechendes Fenster in die Blechröhre und hielt
testweise die Maglite hinein.
Ja-Haaa!
HELLBOY, der Freund aller Kinder, zumindest in der gekürzten
Filmfassung, erstrahlte derartig hell, dass erneut der Nachbar klingelte, um
nachzufragen, ob in meinem Wohnzimmer eine Kalte Fusion geplant sei, und ob er
dann Energie direkt von mir beziehen könnte, denn »dazu wären Nachbarn ja da,
gelle?«
»Nur wenn Sie beim nächsten Mal Tiere grillen, die ich auch
kenne«, entgegnete ich und schob ihn hinaus in die klirrende Kälte.
Aber trotzdem : Die Lampe war recht hell, geradezu
gleißend. Ich suchte den Schaft der Maglite nach Fakten über die Wattzahl ab
und fand eine Gravur »In der St. Andreas-Spalte getestet«, was mich zu der
Frage brachte, was auf einer Gynäkologen-Maglite stehen würde, aber immerhin,
der Name eines Heiligen war vermerkt – gutes Omen irgendwie. Trotzdem zu hell.
Ich pinselte etwas schwarze Acrylfarbe auf die Linse der
Lampe, und schon verbreitete sich heimelige Darkroom-Atmosphäre im
Wohnungsflur. Perfekt.
Aber konnte das alles sein?
Mitnichten.
Ein mir rudimentär bekanntes Subjekt verkaufte Raubkopien
aktueller Kinofilme. Ich hätte dieser charakterlosen Kreatur gern ins Gesicht
gespuckt, kaufte stattdessen aber HELLBOY als tadellose CD. Es ging mir auch
gar nicht um den Film selbst, sondern um den Ton – was tut man nicht alles für
sein eigen Fleisch und Blut? Ich wand mich wie ein Aal, aber irgendwann legte
ich die CD in den Player und startete den Film. Das digitale Diktiergerät lag
bereit, und ich schaute den Film dreimal unter üblen Gewissensbissen, bis ich
die entsprechenden Stellen gefunden hatte. Dann zeichnete ich auf.
Ein kompliziertes Drahtkonstrukt verband den Schalter der
Lampe mit dem Griff, der Licht und Sprachausgabe steuerte, und den mein Sohn
nun voller Stolz über Papas grenzenloser Genialität halten und schwenken
konnte.
Prototyp 1.
Zu einem zweiten kam es nicht. Diese Sankt Martins-Laterne
war der Ferrari Testarossa unter den Latüchten, wegweisend in Formgebung und
Funktion, einzigartig und von rauem Charme. Glänzend und von schwerer Bauweise
verspottete diese Laterne den Billigklumpatsch anderer Kinder, und wenn man das
integrierte Diktiergerät benutzte, sagte die Lampe »Hab ich dich nicht schon
mal getötet?« und »Au Kacke«.
»Mit diesem Monstrum geht ihr AUF KEINEN FALL!«, schrie sie,
und mein Sohn und ich zogen die Brauen hoch – ich aus Verachtung, er, weil er
mir gern alles nachmacht.
»Aber klar. Wir fahren nun. Aus dem Weg. Hier, Sohn: deine
erste HELLBOY-Laterne.«
»Mimmmmmi.«
»Richtig. Gehen wir.«
McDonalds, McDonalds, radadatttadadattdaadatdataaa...
»Geht gleich los. Brauch nur noch was zum Parken.«
Die Stadt lag in regnerischer Dämmerung, als ich meinen
Wagen in zweiter Reihe abstellte und meinen Sohn aus dem Sitz wuchtete.
Hunderte von Kindern in Begleitung ihrer Erzeuger
marschierten durch die Straßen, mittendrin ein Teilzeitheiliger auf seinem
Zossen, dessen Pferd mit seinem Kot die Route markierte, während er selbst
versuchte, die Hälfte seiner Kutte unter die Leute zu bringen.
Da sämtliche Kinder keinen Mangel an Kleidung zu beklagen
hatten, blieb er auf Pferd und Mantel sitzen, und alles und jeder sang
»Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne«, zumindest bis unsere Laterne
begann, digital »Hab ich dich nicht schon mal getötet?« zu bellen.
Wenn schon Leute vom Ordnungsamt da sind, warum kleiden sie
sich nicht in Uniform?
Das würde dem Gefühl der Bürger, die sich nach Sicherheit
sehnen, sicher gut tun. Und das sagte ich den Herren, die sich vor uns
aufbauten, auch.
»Es sind auch Beamte in Uniform da«, sagte der eine mit
blutunterlaufenem Blick auf unsere Laterne, »aber die sind eingeteilt, um Wagen
abschleppen zu lassen, die in zweiter Reihe parken.«
Egal.
Die Lampe ist sehr wohl noch zu gebrauchen.
Gerade habe ich
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