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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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ich ihm zeigen können, was er stattdessen mal gut fand.
    Er fährt auch wahnsinnig gern Auto, wobei er singt, und je
nach Strecke muss ich ihm schon mal eine CD einlegen. Er hört besonders gern
diese Pizzahut-Scheiße von DJ Ötzi, von dem ich mich immer noch frage, warum
sie ihn aufgetaut und vom Berg geschleppt haben.
    Das letzte Mal, als wir gemeinsam Fastfood-Ketten absangen,
waren wir auf dem Weg zum Sankt-Martins-Umzug. Da mein Sohn ja nun läuft,
dachte ich mir, es könnte nicht schaden. Ich wollte nur nicht mit dem
Kinderwagen durch Horden von laternenbewehrten Menschen pflügen, und der Erbe
des Sträter-Imperiums hätte ohnehin nichts mitbekommen, denn in so einem Buggy
wird’s eng mit selbst gebastelter Laterne.
    Ich hatte ihm natürlich persönlich ein entzückendes Exemplar
angefertigt.
    War die Mutter meines Sohnes der Auffassung, eine Pappröhre
mit ausgeschnittenen Sternen, dahinter Transparentpapier, wäre fürs Kind in
Ordnung, hatte ich doch andere Pläne, die mein rastloser Schöpfergeist umgehend
in LATERNE, PROTOTYP 1 umsetzte.
    Ich benötigte einige Werkzeuge, die ich im Freundeskreis
entlieh oder erwarb:
    - einen Overhead-Projektor
    - eine Maglite
    - ein digitales Diktiergerät flacher Bauweise (bei Tchibo,
9,99 €)
    - diverse scharfe Messer
    - einen Lötkolben
    - zwei Quadratmeter Blech, hochglänzend
    - eine Kombizange.
    - Acrylfarben.
    Für mich – und nur meine Meinung zählt, denn mein Sohn
spricht zur Stunde noch etwas verwaschen – gab es im vergangenen Jahr nur eine
Comicfigur, die den Merchandisingweg auf Tassen, Bettwäsche und eben Laternen
hätte finden dürfen. Nemo, der Vorjahreskandidat, stank schon im Sommer vom
Kopfe, und Spiderman passt genretechnisch sowieso besser in die Ecke hinterm
Schrank, wo der Sauger nicht hinkommt.
    Da blieb ja nur noch HELLBOY.
     
    Jener klobige Geselle war Ruckzuck mittels
Overhead-Projektor an die Garagenwand geklatscht; machte sich gut, auch wenn
der kurzsichtige Nachbar daraufhin klingelte, um mich darüber zu informieren,
dass sich ein verkrüppelter Stier bei den Garagen herumtrieb, worauf ich nur
gutmütig lächelte. Das Bild hatte ich dem Internet entnommen, und es zeigte
HELLBOY, wie er gerade diese riesige Sackratte durch einen U-Bahnschacht
drischt. Ich holte meinen Sohn nach draußen und zeigte ihm das Bild, was er mit
»Mimmmmi«, kommentierte, sein Universalbegriff für Lebensformen, die auch nur
so ähnlich wie Katzen aussehen, wenn man sie im Zappendustern aus den Augenwinkeln
betrachtet.
    »Das ist HELLBOY, mein Lieber.«
    »Mimmmmmi.«
    »Ja doch. Meinetwegen. Ich muss das jetzt hier durch … äh …«
    Er wohnte kichernd bei, wie ich Haare raufend feststellte,
dass der Projektor völlig sinnlos war, denn ich wollte kein Bild im Format sechs
mal acht Meter, sondern etwas kleiner, also baute ich das Drecksding ab und
pauste Mimmi auf Folie.
    Mein Hang zum Gigantismus stellte mir schon so manches Bein,
aber ab sofort würde das Projekt »Laterne, Prototyp 1« über die Bühne gehen,
als wäre die technische Abteilung des CIA damit betraut.
    Jetzt, da ich HELLBOY, aber nicht die Sackratte auf Folie
übertragen hatte, sah es so aus, als wolle der rote Dämon irgendwen oder
irgendwas in den Arm nehmen. Astrein. Kindgerecht. Passte.
    Ich rollte mit der Kombizange das Blech, bis es eine
wunderschöne Röhre ergab, und verlötete die Längsseiten. Da mir die Röhre bis
zur Hüfte ging, machte ich mir Kaffee und dachte nach, wie es weiter zu gehen
hatte. Das Ding war zu lang, dachte ich; nebenbei bemerkt, zum ersten Mal in
meinem Leben.
    Eine eilig herbeigeschaffte Säge löste das Problem, und
wenig später erhielt ich eine etwa dreißig Zentimeter hohe Röhre, die
allerdings von perverser Scharfkantigkeit war. Mit dem Teil konnte ich nun
Riesenweihnachtskekse aus dem Laminat stanzen, also schrubbte ich den unteren
Teil drei Stunden lang mit Schmirgelpapier auf Kindertauglichkeit.
    Sehr schön.
    »Geht’s umständlicher?« fragte jene, die meinen Erben
geboren hatte, und ich legte meinen geschundenen Zeigefinger an die Lippen.
    »Dass unser Sohn mit einer dieser dösigen gekauften
Papplaternen herumläuft, wäre wohl in deinem Sinne, hm? Jedwede Individualität
im Keim ersticken, ja? Du möchtest den Einen heranziehen, dass er irgendwann so
zurechtgeschliffen ist, dass er nichts anderes mehr tut, als dem Konsum zu
frönen? Kaufen, kaufen, kaufen! Was ist mit Kreativität, mit der
Unvergleichlichkeit des Einzelnen?«
    So stand ich

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