Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Kopf
hält, und ich nickte gnädig.
Dann huschte der Standesbeamte heran und die Show begann.
Innen.
Man hatte der Amtsstube ein kapellenartiges Interieur
verpasst, aber es erinnerte noch immer leicht an das königlich bayrische
Amtsgericht, in dem für ein Krippenspiel geprobt wurde: Stühle aus dem
Einwohnermeldeamt, Bilder längst zu Staub zerfallener Staatssekretäre mit
angeklatschten Frisuren – und am Ende, ganz hinten, hockte der Standesbeamte an
einem Tisch mit gedrechselten Beinen und klappte eine Mappe auf, deren Einband
ein Wappen zeigte.
Erwähnte ich das Wappenzeichen jener Stadt? Eine Art
kollabierender Löwe, darüber zwei gekreuzte Ähren und eine TÜV-Plakette oder
ein Gullydeckel. Wenn man jetzt nicht auf den Gemeindenamen kommt, könnte das
Absicht sein – aber es war kein Raubtierfreigehege, in dem man mit technisch
einwandfreiem Kfz durchs Kornfeld rasen darf.
Wir anderen hockten an einem wuchtigen Tisch, der mit
Pflanzen aus den frühen Siebzigern zudekoriert war, und ich war kurz davor nach
einem Kännchen Kaffee zu brüllen. Das Ganze war einfach zu gesellig.
Der Beamte stutzte, verharrte eine Sekunde mit halb
geöffneter Mappe und erhob sich dann kopfschüttelnd.
Er huschte zur Fensterbank, langte hinter die Vorhänge – und
dann ertönte Musik.
Ein orchestraler Gangbang von Simon & Garfunkels »Bridge
Over Troubled Water« klatschte durch den Raum wie verdorbene Margarine. Ich war
mir sicher, dass auf der CD »Fürst-Pückler-Version« stehen würde, wenn ich mit
zitternden Pfoten die Ausgabetaste drückte. Einige Gäste, denen anzusehen war,
dass sie ewig gute Songs wie »Thunderstruck« nur als
Rondo-Veneziano-Coverversionen genießen konnten, seufzten schwer, unterdes mir
das Troubled Water in der Hirnrinde kochte.
»Liebes Brautpaar, liebe Angehörige. Wir haben uns heute
hier eingefunden, weil Matthias und Sabine sich trauen.«
Dabei gluckste der Amtmann.
Sie trauen sich!
Gern auch: Trauring, aber wahr.
Oder wie Simon und Garfunkel sagen würden: Hello
Darkness, my old friend.
Warum?
Warum machte er die Zeremonie nicht zu etwas wirklich
Grandiosem?
Wozu vermengte er Zettelweisheiten aus der Glückskeksfabrik
mit Sätzen wie »Aber das Ehegelöbnis ist ein BEIDERSEITIGER Kontrakt! Nicht nur
Nehmen von einer Seite – Freiräume müssen geschaffen werden, damit beide
Partner ihr tiefes Glück in- und zueinander finden und freisetzen und genießen
können.«
Er hat ja im Prinzip nicht Unrecht, aber warum zum Geier
sind dann Scheidungsanwälte so nüchtern? Da erwarte ich dann doch mindestens:
»Lieber Klient, liebe Klientin. Bedauern durchzuckt mich und das Amtsgericht,
wenn ich nun Ihr eigentlich auf immer und ewig konzipiertes Ehegelöbnis
sozusagen Charon dem Fährmann übergebe. Und ihnen, lieber Klient, somit den
Schlüssel zu Sharon, der Stripperin. Sie müssen nur dieses Stück eitel Papier
zeichnen. Schönen Tag noch.«
Ich schloss die Augen und ersetzte die Worte des Beamten
durch eine eigene, realistischere Synchronisation.
»Lieber Matthias, liebe Sabine. Das Interessante an Ehen,
also dem gottgewollten Akt der Partnerschaft, ist die Möglichkeit, Ihnen von
Amtswegen Ihre Steuerklassen, die Böse Eins zu entziehen. Der Dominantere von
Ihnen wird dann die glorreiche Drei bekommen, während vermutlich Sie, liebe
Sabine, Fünf erhalten wie ein Kainsmal, und deswegen ab sofort für den
Gegenwert einer Pfeffersalami arbeiten. Ihre Aufgabe ist es nun, Matthias,
dieses Ungleichgewicht – mit entsprechend virtuos eingesetzten Druckmitteln und
homöopathisch verabreichten Dosen Haushaltsgeld – auszugleichen. Da ich mich
mit ähnlichen Gedanken trage, nämlich der Züchtigung meiner Gattin, ob des
drohenden Sonderverkaufs bei H&M, sehe ich mich nun genötigt, mich kurz zu
fassen. Ihr gemeinsamer Hochzeitsspruch steht hier. Sie hängen jetzt beide
drin. Wenn Sie nun die Ringe tauschen, ist es das letzte Mal, dass Sie etwas zu
gleichen Teilen besitzen. Angenehme Party noch.«
Sie nehmen das Ehebuch, oder wie das Ding heißt, zur Hand und
schlagen ihren Spruch nach.
»Es wird dir noch leid tun, mich kennen gelernt zu
haben.«
»Es tut mir jetzt schon leid.«
(Nick Nolte und Eddy Murphy, Nur 48 Stunden)
Herr, vergib.
Zurück auf der Straße.
Kinder bewarfen mich mit Reis, und ich nahm es hin. Ich sah
wohl genervt genug aus, um als Bräutigam durchzugehen.
Der Staatsanwalt wirbelte mit wehender Kutte herum und
blaffte einen kleinen Jungen
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