Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
an.
»Hör auf, mich mit dem Zeug zu beschmeißen. Wenn du
irgendwas Nettes machen willst, wirf Pommes oder verpiss dich.«
»Wer ist der Typ eigentlich?«, fragte ich Matthias’ Vater
Horst, der sichtlich gerührt eine Zigarette rauchte.
»Keinen Schimmer. Aber irgendwer meinte gerade, er hätte was
mit Sabines Exfreund zu tun, der selbst nicht kommen sollte oder durfte. Der
macht angeblich was bei RTL oder so. Die Zweitbesetzung bei Richterin Barbara
Salesch vermutlich. Falls der Original-Typ, der den Staatsanwalt spielt, mal
krank wird. Irgendwann wird er es uns wohl erzählen. Vielleicht macht er ja
auch ein Partyspiel in seinem Kostüm. Trotzdem: Hätte schwören können, dass der
kleine Dicke sein Sohn war.«
Stimmt . Jetzt kam mir der Kerl irgendwie bekannt vor. Barbara Salesch …
Dann ertönte ein PLING, erzeugt von durchhärtetem
Altweiberfinger an kostspieliger Wandergitarre, und Horst erbleichte.
»Ulrike, Sabines Vorgesetzte. Ist die Rektorin in dem Bums,
wo sie die kleinen Racker unterrichtet. Sie komponiert.«
Sie sang auch.
» Matthias und Sabine haben sich getraut,
nun wird gefeiert und dann ein Haus gebaut,
danach wird sich nach Kindern umgeschaut
und Kinderlachen wird dann später laut.«
So. Matthias und Sabine sind also Kinderräuber, dachte ich.
Andererseits: Auf poppen reimt sich nur verkloppen oder
shoppen; das bringt sie nicht.
»Wenn dann Babys das Häuschen füllen,
kleine Jungs und Mädchen in der guten Stube brüllen,
wird getanzt und wird gelacht,
von morgens früh bis in die Nacht.«
Von morgens früh bis in die Nacht?
» Matthias hat offenbar ein Kind gestohlen,
um es heimlich in sein Haus zu holen,
sie tanzen, toben und sie wippen,
um dann übernächtigt umzukippen
Hätte Frau Rektorin einfach poppen geschrieben,
wäre uns mancher Reim erspart geblieben.«
Ja, ja. Die Strophe war von mir, aber der Originaltext war
auch nur eine keimfreie Dr.-Oetker-Familienmischung, deren Kanten etwas
überstanden, als die Rektorin versuchte, sie in die Melodie von »Blowin’ in the
Wind« zu pressen wie Backsteine in ein Kondom. »Ach … wie … nett«, stammelte
Matthias verstört, und die Rektorin strich ihm über die Wange, und dann tat sie
etwas, das ich so sexy und überwältigend fand, dass ich sofort Lust auf einen
Sekt im Angesicht aller bekam: Sie griff an den Reißverschluss … und ließ ihn
langsam, aufreizend aufrattern. Für einen schwülen Moment war nichts zu hören
als das seufzende, knackende Auseinandergleiten emsiger Metallzähnchen.
Ich hörte auf zu atmen. War das tatsächlich wahr … hmmm?
Ihre für ihr Alter überraschend geschmeidigen Finger taten,
was ich nicht für möglich gehalten hätte.
Sie packte die verdammte Gitarre zurück ins Futteral.
Noch irgendein Trottel anwesend, der nicht an Gott glaubt?
Na bitte.
Die Sonne hat kein Gewissen, wie Hemingway einmal bemerkte –
zwar nicht im Zusammenhang mit der Sonne oder dem Gewissen, aber dafür kamen
Stiere vor.
Jedenfalls knallte sie derart gewissenlos auf meinen
schwarzen Anzug, dass ich Geräusche wie eine leckgeschlagene Sauerstoffflasche
machte; es war heiß, geradezu abartig und absurd glühend heiß. Ich schwor mir,
mein Geld nicht mehr für japanische Playstation-Importspiele zu investieren,
die blumige Namen hatten, einen aber nur Mücken steuern ließen, mit denen man
dann grobpixelige Asiaten im Wintergarten aussaugen konnte.
Stattdessen würde ich nur noch Maßanzüge mit
Goretex-Ausrüstung tragen, jener Klimafaser auf Teflonbasis, die kein Wasser an
den Körper, aber jede Flüssigkeit nach außen abgehen lässt – und somit genau
wie eine Swatch-Uhr funktioniert, wenn auch exakt anders herum.
Ich hätte dann zwar für Außenstehende ausgesehen, als würde
ich mich dauernd in einer Dampfwolke manifestieren, aber das wäre es mir wert
gewesen.
Der Staatsanwalt schwitzte übrigens nicht die Bohne, was
mich zu einem Schluss drängte, der sich im Laufe des Abends bestätigte.
Wir marschierten Richtung »Romantikhotel und Restaurant
Hassenichtgesehen«. Der korrekte Name ist mit etwa zwei Litern Schweiß im
Grundwasser versickert, als wir eine Anhöhe nahe der Hohensyburg zu Dortmund
herauf marschierten.
Das Brautpaar fuhr mit dem Berserker-Opel hoch, und ich
beneidete sie mehr darum, als ich jemals jemanden um irgendwas beneidet habe –
sieht man von Mariah Careys auf MTV gezeigtem Chillout-Room mit Hammerhaien im
Aquarium und 78-Zoll Monitoren ab, auf denen sie
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