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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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allerdings ausschließlich ihre
eigenen Videos sieht, was aber eine völlig andere Geschichte ist.
    Ich wäre bei einem der apokalyptischen Reiter auf den Zossen
geklettert, wenn sie es mir angeboten hätten, und für eine Fanta hätte Satan
schon mal meine Seele auf Wiedervorlage abheften dürfen.
    Oben angekommen waren wir lebende Körperwelten-Kasper, die
jedem knochentrockenen Nobelkellner eindrucksvoll demonstrierten, dass der
Mensch nicht nur zu 70 Prozent aus Wasser besteht, sondern auch, dass dieses
Wasser sich nicht zwangsläufig im Innern des Körpers befinden muss.
    Eine Offenbarung von einem Bier später stand mein Weltbild
wieder; ich wankte dafür aber bedenklich. Ein Liter Pils, und mein Körper sagte
einfach: Danke – spontaner Vollrausch gefällig? Ist das ein Deal, du Depp?
    Trotzdem: Gläserklirren, Bier, Champagner, kühle Servietten
und ein unwürdiger Trapezakt unterm Toiletten-Handfön frischten mich wieder
auf.
    Der Alleinunterhalter und Mahlzeitenbeschaller gab alles. Was
anfänglich den Eindruck erweckte, Olaf Hennings wäre sechs Stunden lang, und
würde sich jetzt noch eine Mousse au Chocolat nachholen, eben sieben.
    Es stellte sich im Laufe des Abends heraus, dass fünf
Parteien ein und dasselbe launige Spiel geplant hatten, also gab’s gar keins.
    Geldgeschenke wurden in wirklich so originelle Konstrukte
eingebaut – Eimer mit Sand und Schüppe, eingefroren, zusammengeklebt –, dass
ich bedauerte, meine Idee mit der Autobatterie und dem kleinen Magneten, mit
dem man hundert Euro in Silbergeld heraus fischen konnte, aufgegeben zu haben.
    Trotzdem stellte ich eines fest: Das Brautpaar und alle
Anwesenden strahlten.
    Ich begann ebenfalls, mich zu amüsieren – und dann schnarrte
der DJ:
    »Damunherrn, it’s Walzer-Time!«
    Matthias und Sabine eröffneten, und ich erinnerte mich
dumpf, in der frühen Kreidezeit zugesagt zu haben, mich ebenfalls tänzerisch zu
betätigen.
    Da Sabine klar war, dass eine Animation, mich zum Tanzen zu
bewegen, fehlschlagen würde …
    Sabine: »Komm Torsten. Walzer. Tanz.«
    Ich: »Das geht nicht. Ich habe mir in die Hose gemacht
und Lepra. Keine Ahnung, was schlimmer ist.«
    Sabine: »Ach komm jetzt.«
    Ich: »Warte mal. Ich weiß! Nein.«
    … gab sie mir direkt Saures:
    »Wenn du meinst, du könntest mir am schönsten Tag meines
Lebens die Tour versauen hast du dich geschnitten, Freundchen. Du wirst tanzen,
oder du wirst bereuen, je geboren worden zu sein.«
    »Bereuen kann ich nur Dinge, auf die ich Einfluss habe,
Sabine«, entgegnete ich. Meine Vorgehensweise war so simpel wie genial. Labern,
bis die Musik verstummt.
    »Und meine Geburt gehört irgendwie nicht dazu. Interessant
übrigens, dass du das Gelingen des Abends von meinen Fähigkeiten als Eintänzer
abhängig machst. Eintänzer waren übrigens in aller Regel attraktive Männer, die
auf Tanztees und Bällen alte Schachteln zum Schwofen animierten. Apropos alte
Schachteln: Habe ich dir jemals von der antiken Zigarrenkiste erzählt, die
neulich wie von Zauberhand auf meiner Fußmatte …«
    Sie griff mit spitzen Fingern meine Unterlippe – einfach mal
aus Spaß probieren, tut barbarisch weh – und zerrte mich zur Tanzfläche.
    Unterwegs führte ich panisch eine rasche Wissensinventur
durch.
    Clint Eastwoods erste Filmrolle war als Jagdfliegerpilot
in TARANTULA. Gut.
    Die Partnerin von Plumpaquatsch war Hanni van Heiden. Gut.
    Fantomas wurde, genau wie der Reporter Fandor, von Jean
Marais gespielt, dem Langzeitgeliebten von dem Kerl, der »Die Schöne und das
Biest gedreht hatte«, in dem Marais ebenfalls mitgespielt hatte. Jean Cocteau.
Genau.Gut.
    In Tibet wird der Yeti Sasquatch genannt. Gut.
    Die Walzerschritte gingen wie folgt … äh …
    Links, vor, zusammen, zurück? Flic-Flac?
    Treten statt schlagen, bei Überzahl Flucht?
    Moment: Fantomas war schwul?
    Die Walzerschr…
    Sabine presste mir ihre arme, alte, aber klasse geschminkte
Mutter an den Körper und los ging es.
    Bis zu meinem Date mit Mia Wallace würde ich noch etwas üben
müssen.
     
    Mitternacht im Biergarten von Gut und Böse.
    Ich hatte Walzer getanzt, auf eine Art, wie Kinder am Strand
von Teneriffa Schloss Neuschwanstein nachbauen: Putzig und klebrig, aber
einigermaßen erkennbar, was aber hauptsächlich an Sabines Mutter lag, die mich
herumzerrte, als wäre sie in der russischen Damen-Judomannschaft.
    Nun saßen wir im milden Nachtwind, über uns der fahle Vater
Mond, unter uns Sitzkissen mit Bärchenmotiv, und tranken

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