Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
Vom Netzwerk:
jetzt weg!« Die beiden »Polizisten« verkündeten das mit solcher Überzeugungskraft, dass Straner für einen Moment um das Leben des »Gefangenen« fürchtete. Aber dann löste sich die ganze Gruppe in einer Wolke der Ausgelassenheit auf und stob im platschenden Dunkel auseinander. Die Rollen wurden neu verteilt. Vielleicht mussten sie auch nach Hause.
      
    Nachdem er noch die eine oder andere Stunde durch die Vorstädte mäandert war und ähnliche Erfolge gesammelt hatte wie ein Trüffelsucher taube Nüsse, strandete er in der Teestube, in der man ihn seinerzeit hatte auffliegen lassen. Es war Trotz darin, der Trotz, den die Verzweiflung gebiert.
    »Dich wollen wir hier nicht«, empfing ihn der Wirt, der hinter seiner Theke stand und mit einem billigen UV-Strahler die Mundstücke der Wasserpfeifen desinfizierte.
    Straner setzte eine anerkennende Miene auf. Soviel Umsicht hätte er an einem solchen Ort gar nicht erwartet. Aber es war ein staatlich lizenziertes Lokal. Das hätte ihn schon beim ersten Mal stutzig machen müssen.
    »Entspann dich«, sagte er. »Ich bin rehabilitiert.«
    Der Wirt starrte ihn ausdruckslos an.
    Straner bestellte einen Tee. »Aber ohne Zusatz!«
    »Einen wie dich sollten sie nicht laufen lassen.« Der Wirt stellte ihm ein Glas heißen Wassers hin und bröselte mit den Fingerspitzen unbehandelte Teeblätter hinein.
    Straner blieb an der Theke stehen und schlürfte das Getränk, dem er viel Zucker zusetzte. Mit dem ersten Schluck meldete sich der Durst, den er bis dahin nicht gespürt hatte. Er sprang wie ein schlafendes Tier in ihm empor, das aufwachte, als man seinen Zwinger öffnete. Am liebsten hätte er zwei, drei große Gläser heruntergestürzt. Aber er beherrschte sich und nippte langsam an dem kochend heißen Tee.
    »Wie gehen die Geschäfte?«
    Der Wirt reagierte nicht. Er ging quer durch das winzige Lokal, wo nur wenige Gäste schweigend vor ihren Pfeifen saßen und in langen Abständen den süßen Rauch einsogen. Auf der anderen Seite war die Theke, an der man die benutzten Glaskolben zurückgeben konnte. Ein schmächtiger Azraler hockte da auf seinem Sitz und putzte mit Hingabe an den handgeblasenen, reich mit Arabesken verzierten Wasserpfeifen herum.
    »Ist der Kollege heute nicht da?« Straner wollte so unschuldig wie möglich klingen.
    Der Wirt war an seinen Platz zurückgekehrt. Und der Pfeifenputzer war ein anderer als der Geheimagent, der ihn neulich hatte hochgehen lassen.
    »Versetzt!«
    »Was hat er sich zuschulden kommen lassen?« Straner zog einen weiteren winzigen Schluck des siedend heißen Tees zwischen den Zähnen durch. Und als der Wirt nicht darauf einging, setzte er hinzu: »Er hat mich ordentlich beim Ministerium abgeliefert.«
    Der Chef atmete schwer durch. Dann hielt er ihm den Strahler direkt vor die Nase. Auf diese Entfernung konnte das Gerät zu ernsthaften Verbrennungen führen, vergleichbar einem saftigen Sonnenbrand.
    »Du fragst zu viel, Fremder. Verschwinde! Wir wollen dich hier nicht haben.«
    »Noch eine Frage, und ihr seid mich los.« Straner blies sachte über sein Glas, von dem der Dampf in zarten Schlieren abstrich. »Was wisst Ihr über Tobey Richards?«
    »Erst die Prinzessin, jetzt der Rädelsführer!« Der Wirt schien über so viel Unverfrorenheit schon wieder amüsiert. Dann schaltete er zurück auf stur. »Ich sage doch: Wir können hier nichts für dich tun!«
    Straner hielt ihm einen Geldschein unter die Nase. Es war das Zehnfache dessen, was die Tasse Tee gekostet hätte. Der Wirt ignorierte ihn und widmete sich wieder seinen Mundstücken. Da stand Straner auf, ging am Tisch des Wasserpfeifenputzers vorbei, der hinter seiner Trinkgeldschale lungerte wie ein Hund hinter seinem Napf, ließ den Schein in die Schüssel schweben und trat durch die Tür ins Freie.
    Die Nacht war lastend. Unmittelbar nach Sonnenuntergang hatte sie kühl geschienen. Und das war sie wohl auch verglichen mit der sengenden Glut des Tages. Aber jetzt schien die Hitze wieder zuzunehmen.
    Straner sah nach oben, wo die senkrechten Quader der Wohntürme einen gezackten Ausschnitt Himmel freigaben. Vorher waren ein paar Sterne aufgezogen. Jetzt war es trüb. Der Himmel beschlug sich, wie wenn jemand auf eine Schale aus poliertem Obsidian hauchte. Der Wind schlief ein, der auf dem Grund der Straßenschluchten meistens angenehm war und um die Hausecken tollwütige Wirbel bildete. Aber in der Höhe brodelte es. Entladungen zuckten. Ein Wetterleuchten setzte

Weitere Kostenlose Bücher