Bran
auf dem Laufenden.
An einem Stand wurden runzlige Melonen feilgeboten. Das ganze war nur ein Vorwand für die Frauen der Gegend, die sich allabendlich hier zum Schwätzen trafen. Straner verlangte eine Frucht und ließ sich auf ein zeitraubendes Feilschen ein. Der Preis war natürlich reine Fantasie. Schon die Selbstachtung gebot es, ihn mindestens um die Hälfte zu drücken, zumal die Früchte alles andere als appetitlich aussahen. Straner spielte das Spiel einige Runden mit. Die Frau, die den Stand besorgte, hielt routiniert dagegen, sah ihn aber kaum an und tratschte nebenher mit ihren Nachbarinnen.
»Was wisst ihr von Senator Richards?«, fragte er irgendwann direkt.
Die Alte brach ihr Schwätzchen mitten im Wort ab und starrte ihn entgeistert an.
»Es heißt, dass er mit einer ausländischen Gesandtschaft hier war.« Straner gab sich harmlos.
Die Melonenfrau spuckte vor ihm aus und entriss ihm die Frucht, die er schon in der Hand gehalten hatte.
»Entschuldigung …« Aber es war bereits zu spät. Die Trabeenerin packte ihren Stand zusammen, der aus nicht mehr als einem halben Dutzend faustgroßer Früchte bestanden hatte, beregnete ihn mit einer Flut von Schimpfwörtern und verschwand im Eingang ihres Wohnhauses. Die anderen Frauen folgten ihr, erregt schnatternd, als habe er ihr ein unsittliches Angebot gemacht.
Da auch die übrigen Kunden und Verkäufer auf ihn aufmerksam geworden waren, beeilte er sich, den kleinen Hof zu verlassen.
Auf der Hauptstraße brachte er einige Blocks zwischen sich und seine Niederlage. Zhid war groß genug, um dieses Spiel einige Tausend Mal zu wiederholen. Aber auf diese Art und Weise würde er nie etwas in Erfahrungen bringen, das sich als verwertbare Information bezeichnen ließ.
Einige Straßenzüge weiter fand er eine aufgelassene Ruine. Drei Stockwerke und ein Kellergeschoss bildeten ein Labyrinth aus Stahlträgern und Betonwänden. Schwarze Vierecke in Horizontale und Vertikale, zwischen denen sich unvermittelt Durchbrüche öffneten; in manchen schwappte öliges Wasser, in anderen schwieg der Nachthimmel wie ein vorwurfsvoller Aufseher.
Die Kinder der Umgebung hatten diesen Platz zu ihrem Abenteuerspielplatz gemacht. In kleinen Trupps, gewandt wie Ratten, kletterten sie an den rostigen Stützpfeilern empor oder drückten sich durch Risse im bröckelnden Zement. Sie mussten Augen wie Katzen haben, um sich in der tiefen Finsternis zurechtfinden zu können. Die Kommandos ihrer Spiele hallten wie die Rufe von unsichtbaren Käuzchen zwischen den unvollendeten Wänden wider. Manche dieser Rufe klangen wie »Tobi Richartz, Tobi Richartz!«
Straner erregte ihre Aufmerksamkeit, indem er einige holografische Spielereien auf seinem Tattoo fabrizierte. Eine Gang von Rotznasen, zerlumpt und schmächtig, die unterernährten Glieder vor Schmutz starrend, scharte sich um ihn zusammen. Sie rangelten und boxten sich um die besten Plätze. Zimperlich waren sie nicht. Straner brachte sie mit ein paar Süßigkeiten zur Räson, an denen sie gierig lutschten. Dann gab er ihnen Prickelpulver, das die Stimme veränderte. Die Jungs – Mädchen waren keine dabei – lachten sich tot, als sie unartikuliertes Quietschen und Näseln von sich gaben.
»Was hat es mit diesem Spiel auf sich?«, fragte er dann. »Wer ist dieser Tobey Richards.«
»Ihr seid das«, sagte ein grauenhaft dürrer Bub, dessen Knie und Ellbogen sich schwer von den mageren Gliedmaßen abhoben. Seine Stimme war hoch, als habe er ein paar Liter reinen Wasserstoffs inhaliert. »Tobi Richartz, Tobi Richartz!«
»Nein, das bin ich nicht.«
»Ihr seht ihm aber ähnlich!« Das war einer, der deutlich mehr Fett auf den Rippen hatte. Er brummte tief wie ein Monster in einem drittklassigen Horrorfilm.
»Nein, nein.« Straner teilte noch eine Runde aus. »Ich meine in eurem Spiel.«
Zwei hoch aufgeschossene Burschen, die älter als die übrigen waren, vielleicht aber auch nur länger gewachsen, brachten einen dritten angeschleppt, den sie im Polizeigriff hatten und immer wieder unsanft vor sich herstießen.
»Das ist Tobi Richartz!«
Offenbar ging es um eine Variante von Räuber und Gendarm.
»Ist er der Böse?« Straner versuchte, suggestiv zu raten.
»Er ist Richartz«, sagten sie immer wieder. »Tobi Richartz, Tobi Richartz!«
Ihr Lachen überschlug sich in der Kakofonie eines künstlichen Stimmbruchs.
»Was hat er getan?«, fragte Straner, der bereits den Abhang der Resignation hinuntertrottete.
»Er kommt
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