Bran
Rangkorianische Ingenieure hätten zu knobeln gehabt, wie sie dieses Problem auf rein mechanische Weise lösten. Denn auf die Magnettechnologie durfte nicht zurückgegriffen werden. Und hier waren arbeitslose Handwerker, Feierabendbastler und besorgte Familienväter zugange!
Straner bahnte sich einen Weg durch das Gestänge und kletterte durch einen Seitenzustieg in eine dunkle, nach Schimmel und Verwesung riechende Halle hinaus. Sie entsprach in Lage und Schnitt der Eingangshalle zwanzig Etagen über ihm. Werkzeug und stillgelegte Energieaggregate standen herum. Das eine oder andere Gerät war auf Stand-by und verströmte ein wenig blaugrünes Licht. Ohne seine Implantate hätte er trotzdem nichts sehen können. Es war kühl und feucht. Straner fragte sich, was er hier machte.
Bis jetzt hatte er nichts gesehen, was darauf hingewiesen hätte, dass die Anlage manipuliert worden wäre. Das hieß jedoch nicht, dass er schon ausschließen konnte, dass der Absturz durch einen äußeren Eingriff herbeigeführt worden war. Irgendwo in den nach Kilometern zählenden Schächten und Kabelbäumen konnte ein Kurzschluss ausgelöst, ein Kontakt unterbrochen worden sein. Er würde das ganze Gebäude auseinandernehmen müssen, um die Ursache herauszufinden. Aber nach allem, was er gesehen hatte, sprach eigentlich nichts gegen einen Unfall, wie er hier an der Tagesordnung war und von der Bevölkerung mit fatalistischer Ergebenheit hingenommen wurde.
»Ganz schöner Kuddelmuddel, was?«
Straner wunderte sich, dass er nicht erschrak. Aber er fühlte sich nicht bedroht.
»Wer ist da?«
»Das kommt vor. Da kann man halt nichts machen. Was zählt ein Menschenleben in einer Stadt von achthundert Millionen?«
Die Stimme war fein, ein dünnes Fisteln. Und sie kam von unten. Hatte man einen Spybot auf ihn angesetzt, der ihm durch Luftschächte und bis in die Ruinen verunfallter Elevatoren folgte?
»Hier!« Jetzt war es doch woanders. Höher.
»Komm schon. Benutze deine Sinne, und wenn’s nicht reicht, dreh deine Implantate auf!«
Straner hatte seine Netzhautapplikationen schon bis zum Anschlag hochgefahren. In dem künstlichen, grün wirkenden Licht, in das diese Maßnahme die Umgebung tauchte, erkannte er eine Ratte, die auf halber Höhe der Halle auf einem Stahlträger saß. »Bist du das?!«
»Siehst du sonst noch jemanden?«
»Nur eine Ratte!«
»Dann musst du mit mir vorliebnehmen.«
»Was bist du? Ein Tier oder ein Bot?«
»Ein Ding aus Fleisch und Blut!« Das Wesen klang empört. »Eine Kanalratte, wenn’s beliebt.«
Straner wunderte sich.
»Ich bin ein eScout. Meine Freunde nennen mich Scout!«
»Dann will ich es auch so halten.«
»Aber ich habe mir ein paar Upgrades gegönnt …«
»Du bist sehr redselig.« Er nuschelte unter dem Stoff, den er sich vor den Mund gebunden hatte, sah sich aber außerstande, ihn zu lösen.
»Und du bist maulfaul. Ich sehe schon, ich werde unsere Unterhaltungen zum größten Teil allein bestreiten müssen.«
»Nein, nein, nein!« Straner winkte energisch ab.
»Ich könnte dir von Nutzen sein!«
»Du gehst mir jetzt schon auf die Nerven!« Er war an den Träger herangegangen, den man im Zuge der improvisierten Maßnahme quer in den hallenartigen Vorraum gewuchtet hatte. Das Vieh hockte direkt vor ihm, etwas oberhalb seines Kopfes. Er hätte es mit dem ausgestreckten Arm erreichen können. »Ich könnte dich zu einer Freundin mitnehmen. Da könntest du plaudern!«
»Du hast viele Freundinnen, eh?«
Straner lachte. Dann wurde er wieder ernst. »Wer bist du, Scout? Und was willst du von mir?«
»Ich biete dir meine Dienste an.«
»Was springt für dich dabei heraus?!«
»Ein paar Brocken werden schon für mich abfallen. Ich brauche nicht viel.«
»Käse?«
»Informationen.«
Straner nickte.
»Ich bin ein Junkie«, sagte die Ratte freimütig. »Süchtig nach Wissen.«
»Du hilfst mir beim Recherchieren und machst dich mit dem bezahlt, was du davon selbst verwerten kannst.« Er fixierte das seltsame Wesen, dessen Knopfaugen, bei Sonnenschein vermutlich schwarz, grün glühten. Restlichtverstärker, die jede Katze vor Neid erblassen lassen würden.
»Wer ist dein Auftraggeber?«
»Wer mich engagiert.«
Straner musste erneut schmunzeln. »Soviel du redest, so wenig bekommt man aus dir heraus.«
»Noch haben wir keinen Deal.«
»Gib mir eine Probe.«
Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, als die Ratte mit einem langen Satz von ihrem Aufenthaltsort
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