Bran
heruntergesprungen war. Sie huschte über den nackten Betonboden der Halle und verschwand in dem Trümmerberg, der den Grund des Elevatorschachtes füllte. Man hatte Müll und Schrott nur notdürftig entfernt, um Platz für die Errichtung der Auffangvorrichtung zu gewinnen. Daneben erhob sich ein übermannshoher Haufen von zerfetzten Stahlblechen, Kleidern und Schuhen. Bestimmt waren auch noch menschliche Gliedmaßen oder vollständige Körper in dem Chaos enthalten.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann tauchte Scout wieder aus diesem Wust empor. Er baute sich vor Straner auf, der sich auf die Knie herabließ, und überreichte ihm feierlich einen Jeton. Es war ein Holochip. Ein billiges Werbemittel. Groß wie eine Münze, aus einfachem Polymer geprägt, in stumpfem Rot schimmernd.
Straner rieb den Jeton, um ihn zu aktivieren. Würde er noch funktionieren? Aber dann baute sich schon das Holo auf. Es war Reklame für ein Bordell. »Leli’s Budike!« In dem faustgroßen Hologramm, das sich über seiner Handfläche drehte, rekelten sich Mädchen in blauem und schwarzem Flitter. Er schaltete das Ding ab.
»Du bist doch wegen des Mädchens hier?« Scout schien enttäuscht. Er hatte mit einem Lob oder einer Belohnung gerechnet.
»Kiú.« Straner dachte nach. Sie hatte öfter diese Jetons verteilt. In der Garküche des alten Kirgolers hatte sie einige davon liegen lassen. Und er hatte sie auf dem Holo erkannt. Es war kein Zweifel möglich: Der Chip stammte von ihr.
»Sie ist in diesem – Ding zu Tode gequetscht worden.« Er nickte in Richtung der Trümmer, die aus dem Elevatorschacht quollen.
»Hast du sie gut gekannt?«
»Ich habe eine Nacht mit ihr verbracht.«
»Genau genommen waren es zwei.«
Straner starrte die Ratte an. »Woher weißt du das alles?«
»Ich sagte doch, ich bin ein Junkie.«
»Also gut, Scout. Da du sowieso schon mehr über mich zu wissen scheinst, als ich mir erklären kann, werde ich dich engagieren. So habe ich dich wenigstens unter Kontrolle.«
»Fein.« Das Tier erhob sich auf die Hinterbeine und wedelte mit den Vorderpfoten durch die Luft. Das grüne Glosen seiner Augen hatte sich zu einem durchdringenden Brennen intensiviert, das jedem Malachitlaser zur Ehre gereicht hätte.
»Soll ich dich zu Leli führen?«
Straner hatte die Daten des Jetons auf sein Tattoo übertragen. Jetzt hielt er ihn unschlüssig in der Hand. Er stand im Begriff, ihn wegzuwerfen. Aber dann ließ er ihn in einer Tasche seines bequemen serafidischen Anzugs verschwinden.
»Eine Bedingung: Du redest nur, wenn du gefragt wirst.«
»Aye, Sir!«
»Zu Leli gehe ich ein andermal. Allein. Die Adresse habe ich ja.«
Die Ratte glotzte ihn abwartend an. Ihr nackter Schwanz peitschte den staubigen Beton.
»Jetzt könntest du mir sagen, wie ich hier rauskomme.«
»Kein Problem.«
Der eScout wieselte um einige der schweren Maschinen herum, die in anderem Zusammenhang beeindruckend gewirkt hätten, die hier aber nur eine Aura von Hilflosigkeit verbreiteten. Straner folgte ihm. Am anderen Ende der Halle gab es einen Notausgang. Ein unbeleuchtetes Treppenhaus führte zum Niveau der Straße hinauf.
Straner trat in die Nachtluft. Sie kam ihm wunderbar klar und frisch vor. Er band das Tuch, das sich mit seinem Speichel und seinem Atem getränkt hatte, los und warf es fort. Es war windig. Der Fetzen segelte waagerecht davon.
Er sah sich um. Sie waren auf der Rückseite des Wohnsilos herausgekommen, um zwei Sechziggradwinkel vom Haupteingang entfernt.
»In Ordnung, Scout. Wenn ich dich brauche, werde ich dich rufen.« Er zweifelte nicht daran, dass die Ratte in Augenblicken zur Stelle sein würde, wann und wo auch immer er sie in der uferlosen Stadt anpingen würde. Aber sie antwortete nicht. Sie war bereits verschwunden und kaute jetzt an den Informationen, die sie ihrem Treffen entnehmen konnte.
Straner zog den Jeton aus der Tasche, unterdrückte die sentimentale Anwandlung, ihn noch einmal zu aktivieren, und ließ ihn in der Kanalisation verschwinden.
Mit weit ausgreifenden Schritten machte er sich an den Heimweg.
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass er hier auf einer Matratze nächtigen konnte, die auf modernster Magnetresonanztechnologie basierte, ein rangkorianisches Produkt, natürlich, das auf schwarzen Kanälen den Weg nach Zhid gefunden hatte und das für den Normalbürger unerschwinglich war. In Rangkor hatte er auf einem ganz normalen Bett geschlafen und war am Morgen ausgeruht und erholt
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