Bran
war noch nicht fertig. Es war noch zu früh. Er brauchte noch irgendeine zündende Idee.
Es war früher Morgen. Die Gäste gingen nach Hause. Oder sie lagen auf den Matratzen, in den Pools oder auf dem nackten Boden herum und schliefen. Auch die Mädchen lagen überall in den Kissen, auf den Teppichen, in den Kulissen und erholten sich. Reinigungsbots surrten zwischen ihnen dahin und säuberten das Etablissement von umgestürzten Gläsern, glimmenden Hanfletten, zerfetzten Dessous, Schminkutensilien und anderen Hinterlassenschaften der nächtlichen Orgien. Menschliche Angestellte unterstützten sie. Straner ging wie einer der wenigen Überlebenden einer gewaltigen Schlacht zwischen den hingestreckten Leibern umher und sah in die aufgesperrten Gesichter der Schnarchenden, die Gaumen und Mandeln entblößten.
Dann kehrte er zurück ins Rangkor seiner Zeit. Aber am nächsten Abend war er wieder hier. Er pendelte nun zwischen beiden Welten wie ein biederer Arbeitnehmer, der nach dem Frühstück ins Büro ging und abends nach Hause kam. Die Zeitverschiebung betrug fast einen halben Tag, sodass es in Zhid gerade Nacht wurde, wenn er nach dem Kaffee aufbrach. Und wenn er sich im Morgengrauen, das schal von endlosen Vergnügungen war, wieder losriss, kam er gerade rechtzeitig zum Abendessen in die »Schwarze Tanne«. Mit einem Schritt begab er sich aus Lelis Armen zu Lena, die ihn mit immer noch größerem Enthusiasmus erwartete und bewirtete.
In der Budike verkehrte er in den Kreisen der Verschwörer, die sich um den jungen Mordal gebildet hatten. Auch hier gab Straner sich als Tuchhändler von Kirgol aus. Er war schwerreich, seltsam, ein bisschen ungehobelt. Sie hielten ihn für einen Hochstapler oder Emporkömmling. In ihren Augen machte das keinen großen Unterschied. Ein Fremdweltler war er in jedem Fall. Und jeder, der nicht von Zhid stammte – aus der Stadt oder aus den Weiten seiner unendlichen Wüsten –, wurde ein wenig schief angesehen.
Eines Abends forderte er es heraus. Er prahlte. Er könne ein ganzes Viertel kaufen und zehntausend Frauen für sich arbeiten lassen. Die ganze Serafidenstadt wäre dann seine Tuchfabrik.
Sie lachten.
Da warf er einen Packen Banknoten auf den Tisch.
Das Lachen verstummte.
Der Wind blätterte in dem Papiergeld. Es waren die höchsten Werte, die auf Zhid gedruckt wurden, ein dicker Stapel. Grünliche Scheine. Die Ziffern schimmerten im Nachtlicht.
Sie waren auf der Dachterrasse. Startende und landende Schiffe von den nahe gelegenen kleinen Häfen, die meisten illegal, schwebten über sie hinweg. Die Luft war heiß und trocken. Man glaubte den Sand der Wüste zu schmecken. Wenn man die Böen kaute, knirschte es zwischen den Zähnen.
Straner wandte sich verächtlich ab, nahm sich ein Mädchen und schickte sich an, mit ihr in den Pool zu steigen.
Die Männer fragten ihn, ob er sein Geld nicht wieder einstecken wolle.
Da lachte er: »Das ist doch nichts!«
Ein Dutzend Männer standen um den Tisch herum und betrachteten gierig den Packen knisternden Papiers. Wie Chamäleons, denen die Augen ruckend hervorquollen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die erste Zunge vorschnellen würde. Der Betrag war gewaltig. Weder Minister noch Mafiabosse konnten daran vorübergehen.
Als er aus dem Pool stieg und sich in einer Liege entspannte, war das Geld verschwunden. Der Nachtwind hatte es entführt.
Spät am Abend überrascht ihn Lena, wie er auf dem Bett liegt und seine Implantate programmiert.
»Was machst du?«
Sie hat sich angewöhnt, ohne anzuklopfen, in sein Zimmer zu kommen. Aber als er aufsieht, fällt ihm ein, dass er die Tür nicht gesichert hat. Sie ist sogar offen gestanden. Also hat sein Unbewusstes gewollt, dass er gestört wird.
»Ich lege Verzweigungen an«, sagt er. »Fallunterscheidungen. Verpfadungen. Ich brauche einen Plan B, einen Plan C und mindestens noch einen Plan D.«
Sie beugt sich über ihn, will neugierig die Holo-Displays seiner Handgelenkstattoos betrachten.
Er schaltet sie ab.
»Kann ich dir noch etwas bringen?«
Es ist nach Mitternacht. Sie hat jetzt Feierabend.
Er schüttelt den Kopf. Sie steht da. Straner sieht, wie sie mit sich ringt. Mit einem Ruck schließt sie die Tür. Dann schlüpft sie aus den Schuhen und legt sich neben ihn aufs Bett.
»Soll ich mich ausziehen?«
»Ach Lena.« Er nimmt sie in den Arm.
Sie ruht an seiner Seite. Ihre Zöpfe heben sich hart an seiner Schulter ab, unter ihrem Kopf. Ihr Haar riecht nach
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