Brandbücher - Kriminalroman
einer Leiter oder Treppe, die auf den Dachboden führte wie in dem Haus ihrer Großeltern. Sie fand nichts dergleichen und ging die knarrende Treppe wieder hinunter ins Erdgeschoss. Von dem Flur führte eine Tür in einen kleinen Raum hinter dem Laden.
Verblüfft schaute sie den Tresor an, der in einer Ecke stand. Er wirkte völlig fehl am Platz, denn auch dieser Raum war ansonsten völlig leer.
Karina rüttelte daran. Aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie bemerkte das kleine Loch neben einem Rad mit Zahlen. Ihr fiel der kleine Schlüssel an dem Ring ein. Sie zog ihn aus der Tasche und steckte ihn in das Schloss. Er ließ sich problemlos bewegen. Die Tür öffnete sich dennoch nicht. Karina starrte das Zahlenrad an und überlegte, wo sie die Zahlenkombination finden konnte.
Großvater hätte die Zahlen in der Nähe des Schlüssels aufgeschrieben, dachte Karina. Sie drehte den Schlüssel in ihren Händen. Ihr Blick fiel auf das Schild. ›Katharina Stadt‹, stand dort. Die Schrift war nicht besonders gut zu lesen, das war Karina bereits vorher aufgefallen, zumal das äußerst ungewöhnlich für ihren Großvater war.
Vorsichtig löste sie das Plastikschild von dem Schlüssel. Sie hebelte es aus dem Metallring, der es mit dem Schlüssel verbunden hatte. Nun konnte sie das beschriebene Papierstückchen aus dem Plastikrahmen schieben. Sie drehte den kleinen Zettel um und entdeckte Pfeile und Zahlen.
»Das gibt es doch nicht!«, sagte Karina laut. Sie hatte das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen, doch niemand war in der Nähe und sie kannte keinen Menschen in der Stadt. Obwohl sie gelegentlich ihre Ferien bei den Großeltern verbracht hatte, hatten sich keine Freundschaften ergeben. Vielleicht lag es daran, dass Karina sich nicht für Puppen, Schminken und Jungen interessiert hatte, sondern für Autos und Maschinen. Ihr hatte es mehr Spaß gemacht, bei den Nachbarn ihrer Großeltern Traktor zu fahren, als mit den anderen Mädchen in der Stadt auf dem Brunnen zu sitzen und den Jungen nachzustarren.
Karina steckte den kleinen Schlüssel erneut in das Schloss. Sie drehte an dem Rad, bis der kleine Pfeil auf einer Zahl stand. Je nachdem, ob der Pfeil auf dem Schild nach rechts oder links zeigte, drehte sie das Rad nach rechts oder links. Als sie es auf die letzte Zahl stellte, bemerkte sie, wie sich der kleine Schlüssel bewegte. Sie drehte ihn leicht und die Tresortür öffnete sich.
*
»Stell dich nicht so an!« Bruno stieß Samuel leicht mit der Faust gegen die Schulter. »Komm doch mit.«
Samuel zögerte, er hatte sich zu dem Kinobesuch überreden lassen. Sobald sie am Wochenende in ihrer Heimatstadt waren, hielt Bruno ihn für gut genug, um die Abende mit ihm zu verbringen. Schon in der Schule hatte Bruno kaum Freunde, obwohl oder gerade weil er ständig damit angab, dass sein Vater Arzt war und sogar fast Professor geworden wäre. Viele ließen sich davon abschrecken, dass er alles besser wusste und immer recht haben wollte. Nur Samuel hatte Mitleid mit Bruno, seit er einmal zufällig erlebt hatte, wie sein Vater ihn geschlagen und gedemütigt hatte. Von dem Tag an hatte er ihn gelegentlich mit zu sich nach Hause genommen, sein Vater hatte sich nicht weiter um sie gekümmert.
In Münster hatte Bruno anscheinend Freunde gefunden. Er und Samuel wohnten in möblierten Zimmern im Haus eines Arztes, einem Studienkollegen von Brunos Vater. Samuel war froh, dass er dieses Zimmer so leicht bekommen hatte. In Münster waren Wohnmöglichkeiten begehrt, vor allem, wenn das Semester begann, und er hatte erlebt, dass die Religionszugehörigkeit durchaus oft darüber entschied, ob jemand den Zuschlag erhielt oder nicht. In einem Wohnheim war ihm ganz unverhohlen mitgeteilt worden, dass nicht an Juden und Frauen vermietet werde.
Er wusste, dass Brunos Vater nicht ihm, sondern sich selbst einen Gefallen tat, als er Samuel dieses Zimmer vermittelte. Auf diese Weise hatte er Bruno weiterhin im Blick. Deswegen ließ er die beiden freitags nach der letzten Vorlesung von einem Fahrer in Münster abholen. Ganz zufällig wurde Samuel dann in die Praxis gerufen. Dort musste er Bericht erstatten, was Bruno in der letzten Woche gemacht hatte. Samuel fühlte sich jedes Mal unwohl, doch Doktor Schulze-Möllering hatte ihm gedroht, dass er sein Zimmer verlieren würde, wenn er Bruno etwas von den Nachfragen verriet.
Samuel war es recht, dass er nicht viel mitbekam, weil Bruno einer anderen Fakultät angehörte und bei seinen
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