Brandbücher - Kriminalroman
Da die Frau ihn als Ersten genannt hatte, schien er die Führungsspitze zu sein und konnte ihr am besten helfen.
»Ich möchte den Verleger sprechen«, erklärte Karina mit fester Stimme, nachdem die Frau aufgelegt und ihr Säuseln hinter einem künstlichen Lächeln versteckt hatte.
»Einen Moment bitte, der telefoniert gerade«, bat die Frau. Karina ärgerte sich. Auf die Idee, dass der oberste Chef der Verleger war, hätte sie selbst kommen können.
»Jetzt probiere ich es mal«, erklärte die Frau nach einer Zeit, die Karina ewig vorkam. Sie hörte, wie die Empfangsdame dem Verleger berichtete, was Karina wollte. Schau an, dachte sie, da hat sie sich doch gemerkt, was ich will.
»Bitte gehen Sie in das Besprechungszimmer dort.« Die Frau zeigte auf eine Tür, die halb geöffnet war und hinter der Karina einen großen schwarzen Tisch und schwarze Lederstühle sah. »Herr Tengelkamp kommt gleich.«
»Danke!« Karina lächelte die Frau übertrieben freundlich an, ehe sie in dem Raum verschwand und sich auf einen der Stühle setzte. Kaum hatte sie Platz genommen, erschien ein groß gewachsener Mann mit kurzen weißen Haaren in der Tür. Rasch sprang Karina wieder auf. »Karina Bessling«, stellte sie sich vor und ergänzte: »Danke, dass Sie Zeit für mich haben.«
»Jo Tengelkamp«, entgegnete der Mann. »Was kann ich denn für Sie tun?« Er wies auf den Stuhl, von dem Karina aufgestanden war.
»Ich suche Zeitungen aus den 30er-Jahren«, wiederholte Karina die Bitte, die die Frau ihm längst ausgerichtet hatte. Nach kurzem Überlegen fügte sie hinzu: »Ich räume gerade das Haus meiner Großeltern und meiner Großtante aus und da habe ich Unterlagen gefunden, die mich neugierig gemacht haben auf die Zeit, in der meine Großtante jung war. Katharina Bessling. Vielleicht sagt ihnen der Name ja etwas.«
Karina bemerkte, wie der Blick des Verlegers kurz unruhig wurde, als sie den Namen erwähnte. Dann sah er sie wieder freundlich an, ohne jedoch seine angespannte Körperhaltung zu verlieren. Er beugte sich zu ihr vor und sah sie interessiert an. »Welche Unterlagen haben Sie denn gefunden?«, fragte er. »Vielleicht wäre das etwas für uns. Wir berichten immer gerne über solche Dinge. Das interessiert unsere Leser.«
»Ich habe auf dem Dachboden alte Postkarten gefunden«, sagte Karina. Fast schien es ihr, als entspannte sich der Verleger. »Ich glaube, dass die Postkarten aus den 30er-Jahren stammen«, fuhr Karina fort. Ihr kam es so vor, als stieg die Aufmerksamkeit des Verlegers, als sie den Zeitraum erwähnte.
»Wir können diese Postkarten in unserer Zeitung abdrucken«, schlug der Verleger vor. »Alte Postkarten sind für uns immer interessant und aus der Zeit vor dem Krieg gibt es nur wenig Material. Immerhin war der größte Teil der Innenstadt zerstört. Ich müsste sie mir natürlich ansehen.«
»Erst einmal möchte ich herausfinden, aus welcher Zeit die Postkarten genau stammen. Ich habe angenommen, sie wären aus den 30er-Jahren, weil meine Tante später nach Frankreich gezogen ist«, versuchte Karina auszuweichen. Ehe der Verleger antworten konnte, wiederholte sie ihre Bitte zum vierten Mal: »Ich würde gerne ein wenig in den Zeitungen aus den 30er-Jahren stöbern, möglicherweise gibt es ja Parallelen zu dem, was auf den Karten steht.«
Mist, dachte Karina, als sie das gesagt hatte. Der aufmerksame Blick des Verlegers zeigte ihr, dass diese Information für ihn besonders wichtig war. Kein Wunder. Beschriebene Karten sind etwas ganz anderes als Motivpostkarten. Sie ärgerte sich darüber, dass sie das verraten hatte, und lenkte von ihrer Bemerkung ab: »Darf ich nun in Ihrem Archiv stöbern oder nicht?«
Der Verleger lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Doch Karina blieb auf der Hut, sie sah ihm an, dass er mehr Interesse an den Postkarten hatte, als er zeigte.
»Ich würde Ihnen gerne helfen«, sagte er. »Aber unser Archiv reicht nur bis in die Jahre nach dem Krieg. Sie wissen ja, dass hier vieles zerstört war. Auch unser Archiv hat es erwischt.« Er machte eine kurze Pause und wischte mit der Hand über den Tisch, als wollte er Krümel wegfegen. Dann bemerkte er scheinbar beiläufig: »Wie wäre es, wenn Sie mit den Karten vorbeikämen? Ich kenne mich ein bisschen aus mit den 30er-Jahren, eventuell kommen mir die Karten bekannt vor oder Namen, die erwähnt werden.«
Karina entschied, dass es am besten war, auf den Vorschlag einzugehen. Absagen konnte sie die Verabredung immer noch,
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