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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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wenn sie mehr wusste. Solange sie sonst niemanden hatte, der ihr helfen konnte, war es besser, es sich mit dem Verleger nicht zu verscherzen. Auch wenn sein Verhalten merkwürdig war. Auf den Namen ihrer Tante hatte er eindeutig reagiert, aber nichts über sie gesagt. »Das ist aber nett«, erwiderte sie. »Ich habe heute keine Zeit, aber morgen oder übermorgen könnte ich kommen. Ich melde mich, sobald ich Land sehe«, schlug sie vor. »Vielleicht werde ich auch im Stadtarchiv schon fündig.« Bis dahin war sie vor Nachfragen sicher und vielleicht wusste sie dann mehr darüber, was genau in den ersten Tagen Hitlers hier los gewesen war und welche Rolle ihre Tante dabei gespielt hatte.
    Der Verleger brachte sie bis zum Ausgang. Als sie in der Drehtür war, hörte sie, wie er die schnippische Frau vom Empfang bat, ihn mit einem Doktor Westerburg zu verbinden.

    *

    »Mensch, Samuel, du bist echt eine trübe Tasse!« Bruno schob sein altes Fahrrad neben Samuel her, der zu Fuß ging. Nachdem Bruno sich bei seinem Vater beklagt hatte, dass seine Bude, wie er das möblierte Zimmer nannte, zu weit außerhalb lag, hatte er ein Fahrrad bekommen. Wann immer Samuel nun mit Bruno zusammen unterwegs war, musste er neben ihm hergehen oder hinterherlaufen.
    »Die Jungs dort werden dir gefallen«, redete Bruno weiter und schnaufte, was Samuel auf das schwere Fahrrad schob. Er freute sich insgeheim, sollte er ruhig schnaufen, noch nie hatte er ihm angeboten, das Rad zu nutzen.
    »Wir haben eine Menge Spaß«, schwärmte Bruno weiter. »Einmal durfte ich sogar schon mit auf den Paukboden. Da üben die Füchse fechten.«
    Paukboden, das hörte sich für Samuel nicht einladend, sondern bedrohlich an. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Jungs, von denen Bruno sprach, einen Juden in ihrer Mitte duldeten. Immer wieder spürte er, wie Brunos Kommilitonen ihn misstrauisch ansahen. ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹, das galt wohl nur für Christen untereinander. So schien es Samuel wenigstens. Dabei sollten doch gerade angehende Priester wissen, was sie taten. Er wollte nicht ungerecht sein. Einige von ihnen waren nett zu ihm, sie luden ihn ein, an ihren Festen teilzunehmen. Und dennoch, er fühlte sich nicht wohl im Kreis von Brunos Freunden. Sie wirkten auf ihn genauso überheblich und von der Welt abgehoben wie Bruno, seit sie in Münster waren.
    Es wunderte ihn ohnehin, dass Bruno sich auf einmal wieder mit ihm abgab. Die ersten Wochen hatte er ihn nicht beachtet und ihm höchstens von einer Prüfung oder Vorlesung erzählt. Wo er seine Nächte verbrachte, darüber sprach er nie. Einer der Mitstudenten hatte eine Andeutung gemacht, dass es am Kanal Häuser gab, in denen Frauen sich verkauften. Samuel konnte sich nicht vorstellen, dass Bruno ein solches Haus besuchte, schließlich wollte er Priester werden. Seit Kurzem nun sprach Bruno von dieser studentischen Verbindung, anscheinend konnte man in dem Haus auch übernachten. Ob ich mitgehen soll, um herauszufinden, was dort geschieht?, fragte sich Samuel, während er schweigend neben Bruno herging.

6
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    Nun hat es auch Gerhard erwischt. Sie hätten keine Arbeit mehr, hatte sein Meister gesagt. Dabei soll doch jetzt alles besser werden, wo Hitler das S a gen hat. Nur wir hier, wir merken nichts davon. Herr Weizmann hat schon gesagt, dass er mich bald nicht mehr bezahlen kann. Es hat keiner mehr Geld für Bücher. Die Leute leihen sie nur aus und manchmal bringen sie sie nicht einmal zurück.

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    Und jetzt Gerhard! Er will weg, hat er gesagt. Irgendwohin, wo er Häuser bemalen kann. Hausmaler, das wollte er immer schon werden. Als er auf Wanderschaft war, nach der Lehre, war er am Bodensee und in einer Stadt, die Stein am Rhein heißt. Da sind alle Häuser bemalt, hat er behauptet, und nicht verklinkert wie bei uns. Aber ich kann doch nicht weg. Nicht jetzt, wo Herrn Weizmanns Sorgen um sein Geschäft und seinen Sohn jeden Tag größer werden. Anton kann ich auch nicht allein lassen. Wer weiß, was der macht, wenn niemand auf ihn aufpasst. Einmal habe ich ihn schon mit diesen Braunhemden gesehen.

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    »De brächt nix Goedes«, habe ich ihm schon ein paar Mal gesagt. Aber Anton macht immer, was er will. Auf den muss ich aufpassen, das haben Georg und ich Mutter auf dem Sterbebett versprochen, als sie letztes Jahr Blut gespuckt hat. Gut, dass sie das alles nicht mehr erleben muss. Manchmal merkt man erst viel später, dass auch das Schlechte einen

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