Brandbücher - Kriminalroman
guten Kern haben kann. Wie beim Apfel, der schmeckt auch gut, bis man den Wurm entdeckt.
Karina war froh, als sie das Gebäude der Münsterländer Morgenpost verlassen konnte. Irgendwie hatte sie sich einen kleinen Zeitungsverlag im Münsterland gemütlicher vorgestellt. Aber unter den Augen des Verlegers war sie sich vorgekommen wie ein von Paparazzi verfolgter Prominenter. Sie bekam schon wieder eine Gänsehaut, wenn sie daran dachte, wie überaus neugierig, ja fast schon gierig er gewirkt hatte, als sie von den beschriebenen Postkarten gesprochen hatte. Wenn er nicht zu jung gewesen wäre, hätte sie denken können, er hätte unmittelbar etwas mit den Karten zu tun oder müsste damit rechnen, dass sein Name dort auftauchte.
Die Kirchturmuhr schlug zweimal, es war inzwischen halb zehn. »Zeit für ein gemütliches Frühstück«, beschloss Karina. Wo mochte es um diese Zeit ein Frühstück geben? Das Café in dem Einkaufszentrum fiel ihr ein. Kurz kämpfte sie mit sich, ob sie das Auto vor dem Verlagshaus stehen lassen sollte. Als sie den Weg jedoch in Gedanken abging, erschien er ihr zu lang. Sie stieg in ihr Auto ein und stellte verärgert fest, dass sie in einer Einbahnstraße parkte und einen Umweg fahren musste. Dann kann ich auch gleich am Rathaus halten, wo ich schon fast da bin, dachte Karina. Das Frühstück musste erst einmal warten. Während sie an der roten Ampel wartete, öffnete sie das Handschuhfach und suchte nach etwas Essbarem, das ihren Hunger für kurze Zeit stillen konnte. Sie entdeckte ein Tütchen mit Lakritzschnecken. Die würden das Hungergefühl zurückdrängen, während sie sich im Rathaus nach dem Stadtarchiv und dessen Öffnungszeiten erkundigte.
Sie parkte vor dem Rathaus und begab sich zu der Informationstheke direkt neben dem Eingang.
»Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte sich die Frau hinter der Theke lächelnd, als sie Karinas Suchen bemerkte.
»Ich möchte zum Stadtarchiv«, erklärte Karina und erwiderte das Lächeln.
»Ach, da haben Sie heute Glück!« Die Frau nickte ihr aufmunternd zu. »Der Leiter des Archivs ist im Haus, da können Sie ihn gleich fragen, was Sie wissen möchten.« Die Frau verließ ihren Platz hinter der Theke und zeigte Karina den Weg vom Foyer zum Stadtarchiv.
»Danke!« Karina strahlte die Frau an und folgte der Beschreibung. Wenig später stand sie vor der Tür mit dem Schild: ›Stadtarchiv, Dr. Klaus Westerburg‹. Den Namen hatte sie doch gerade erst gehört. Ehe Karina sich darüber wundern konnte, wurde die Tür geöffnet.
»Da sind Sie ja schon. Die Kollegin hat Sie bereits angekündigt«, sagte der kleine Mann mit der Glatze, der im Türrahmen stand. Er hatte seine Ärmel aufgekrempelt, als müsste er in einem Eimer voller Erde wühlen. Die Krawatte verlieh ihm jedoch einen Anstrich von Seriosität.
»Ich bin Klaus Westerburg. Ich leite das Archiv«, fuhr der Mann fort und trat einen Schritt zur Seite, um Karina in den Raum zu lassen. Rechts in der Ecke unter dem Fenster entdeckte sie einen Schreibtisch, auf dem sich graue Aktenmappen stapelten.
Überall in dem Raum standen Regale mit Ordnern oder Stehsammlern, an den Wänden sah sie Papierrollen, die sie an die Karten aus dem Erdkundeunterricht erinnerten. Eingeschüchtert betrat Karina den Raum.
»Womit kann ich Ihnen helfen?«, wollte Klaus Westerburg wissen und wies auf einen leeren Stuhl direkt vor dem Schreibtisch.
Karina setzte sich und sah sich um. »Ich suche Informationen über die 30er-Jahre«, sagte sie, nachdem sie sich an den Anblick der alten Unterlagen gewöhnt hatte.
»Mmh, das ist nicht so leicht!« Der Leiter des Archivs sah Karina nachdenklich an. »Ein Teil unseres Archivs wurde bei der Bombardierung kurz vor Kriegsende zerstört. Das Einzige, was wir noch haben, sind die Grundbücher, weil die damals nicht im Archiv, sondern in der Grundbuchabteilung aufbewahrt wurden, die während des Krieges ausgelagert war.«
Karina schwankte zwischen Enttäuschung und Freude. Viel war das nicht. Aber immerhin wurde in die Grundbücher eingetragen, wem ein Grundstück gehörte. Vielleicht konnte sie auf diese Weise wenigstens etwas über die früheren Eigentümer des Hauses ihrer Großtante herausfinden.
»Können Sie mir sagen, wem das Haus früher gehört hat, das meine Großtante vor ein paar Jahren gekauft hat?« Karina sah den Mann, der hinter seinem mächtigen Schreibtisch verloren aussah, hoffnungsvoll an.
Er lachte. »Dann sollten Sie mir schon sagen, um
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