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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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Rotkreuzhelfer. Er ging gelegentlich zum Beten in die Synagoge am Nonnenplatz, aß koscher und hielt den Schabbes ein.
    »Das verstehst du nicht«, sagte Jakob Weizmann, als er Samuels verstörtes Gesicht sah. »Das erzähle ich dir, wenn wir Zeit haben.« Er seufzte und legte das Buch auf den Tisch. »Ich fürchte, wir werden bald viel Zeit haben.«
    Samuel ahnte, was sein Vater meinte. Die neue Verordnung des Reichspräsidenten hatte auch Auswirkungen auf die Bücher und Zeitungen, von deren Verkauf Jakob und Samuel Weizmann lebten. In den letzten Wochen waren bereits einige Stammkunden ausgeblieben. Samuel wusste, dass Doktor Schulze-Möllering seinen Fahrer ins Ruhrgebiet schickte, um dort Zeitungen und Bücher zu beschaffen. ›Den Stürmer‹, diese Zeitung, die auf einmal alle lesen wollten, durften sie nicht verkaufen. Als ›Volksfeinde‹. Stattdessen konnten sie sich ansehen, wie die Leute gegenüber am Stürmerkasten neben dem Schuhgeschäft stehen blieben. Die Buchstaben der Überschriften waren so groß, dass sie sie über die Straße hinweg lesen konnten.
    »Er«, dabei deutete Jakob Weizmann auf das Buch von Leon Feuchtwanger auf dem Tisch. »Er ist sicher einer der Ersten, der verboten wird. Er ist Jude, schreibt über Juden, etwas Schlimmeres kann es für die Braunen doch nicht geben.« Jakob sank auf den Stuhl, der immer im Laden stand, damit die Kunden gemütlich in den Büchern schmökern konnten, und seufzte. »Es wird leer werden, wenn alle jüdischen Autoren wegkommen!«
    »So weit ist es noch nicht!« Samuel hockte sich neben seinen Vater und versuchte ihn zu beruhigen. »Warte erst einmal ab«, sagte er und merkte, dass seine Stimme nicht überzeugend klang. Er erinnerte sich an seine Erlebnisse in Münster und an Bruno, dessen Stimme auf einmal ganz anders geklungen hatte, nachdem Samuel erfahren hatte, dass er in die Partei eingetreten war, und dass er zu den Braunhemden gehörte, zu denen Samuel niemals gehören konnte. Selbst wenn er es wollte.
    »Und? Wisst ihr es schon?« Bei diesen Worten wurde die Ladentür aufgeworfen. Mit lautem Krachen flog sie gegen den Tisch, der vor dem Fenster stand. Einige Bücher in der Auslage kippten um oder fielen herunter.
    »Da hat es sicher die Richtigen getroffen«, brüllte Bruno und betrat mit einem lauten Lachen den Laden.
    Samuel schrak zusammen, nicht einmal in der vorlesungsfreien Zeit hatte er seine Ruhe vor ihm. Was wollte der hier? Sollte er doch bei seinen Braunhemden in Münster bleiben. Aber Samuel wusste genau, warum es Bruno immer wieder in seine Heimatstadt zog. Hier war er der Sohn eines Arztes, in Münster war er einer von vielen. Hier fand er immer jemanden, den er quälen konnte. Im Zweifel ihn.
    Er sah sich um. Niemand konnte ihnen zu Hilfe kommen, wenn nicht gerade ein mutiger Kunde den Laden betrat. Zum Glück schien Bruno allein zu sein.
    »Nachdem eure Freunde in Berlin den Reichstag angezündet haben, wird es auch für euch brenzlig.« Bruno lachte laut. »Ich wollte nur mal schauen, ob ihr noch da seid!«, polterte er weiter. »Hätte doch sein können, dass ihr euch verpisst habt. Ihr seid doch alle Schisser. Den Reichstag anzünden. Wenn dem Führer was passiert wäre!« Er trat mit seinem klobigen Stiefel gegen den kleinen Tisch, der mitten im Laden stand.
    »Ihr seid also noch da! Verändert hat sich auch nichts, was?« Bruno ließ den Blick durch die Buchhandlung schweifen und bemerkte den Stapel mit Büchern von Feuchtwanger, die Samuel auf den Boden gelegt hatte. »Schau an, dieser Jude darf auf dem besten Platz liegen!« Er trat gegen den Stapel und drehte sich lachend um. »Ach, das wollte ich nicht. Soll ich die Bücher wieder aufschichten?« Er sah Samuel direkt in die Augen.
    Samuel kam es vor, als könnte er in Brunos Augen lesen. ›Denkt nur nicht, dass ich euch davonkommen lasse‹, schienen die Augen zu sagen. ›Egal, was früher gewesen ist. Jetzt gehöre ich zu denen, die das Sagen haben.‹
    »Lass nur«, unterbrach Jakob Weizmann die wortlose Unterhaltung. »Wir wollten sie gerade wegräumen. Sie passen nicht in die Zeit.«
    Samuel hätte seinen Vater am liebsten geschüttelt für diesen Satz. Wie konnte er die Bücher verraten, die er mit Begeisterung gelesen hatte? Dann sah er Brunos hellbraunes Hemd, die dunkelbraune Hose, oben weit und unten eng, und diese Stiefel, die nicht wie Fußbekleidung, sondern wie Waffen wirkten, und verstand seinen Vater.
    »Dann will ich mal wieder!« Bruno war näher

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