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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Ebbert
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besucht hatte. Ihr sagten die Namen auf den Steinen nichts, doch ihre Großmutter hatte scheinbar schlechte Erinnerungen an die dort Beigesetzten.
    Sie beschloss, das Grab ihrer Großeltern bald zu besuchen und sich die Nachbargräber anzuschauen. Doch zunächst stand ihr ein Leichenschmaus bevor, zu dem sie nicht eingeladen war.
    »Guten Tag, Frau Oenning«, riss eine Männerstimme sie aus ihren Gedanken. Sie spürte, wie sich eine leichte Röte über ihr Gesicht schob, als sie die Stimme erkannte.
    »Da haben Sie sich ja die jüngste und hübscheste Besucherin ausgesucht, was?«, fuhr Pfarrer Kleine fort und zwinkerte ihr zu. Karina war nicht sicher, ob er damit Frau Oenning oder sie meinte.
    »Das ist die kleine Bessling«, erklärte die Elisabeth Oenning.
    Der Pfarrer nickte. »Wir haben uns gestern schon kennengelernt.« Er beugte sich zu der alten Frau und sagte verschwörerisch: »Hat sich das denn nicht bis zu Ihnen herumgesprochen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Sie wissen ja, an mir geht so manches vorbei.«
    »Kommen Sie doch mit zum Kaffee, Frau Bessling«, schlug Martin Kleine vor. »Als Vorstand des Altenheims, in dem die Verstorbene gewohnt hat, bin ich sozusagen der Gastgeber. Nicht wahr, Frau Oenning?«
    Elisabeth Oenning nickte. »Sie möchte wissen, was mit Ihrer Tante war. Albrecht ist schon weggelaufen.« Sie zeigte auf den Mann mit dem Stock, der wenige Schritte vor ihnen herging. »Der hat wohl Angst, dass seine eigene Vergangenheit wieder ans Licht kommt«, murmelte sie leise, aber gut hörbar.

    *

    Samuel lief ruhelos in der Buchhandlung auf und ab. Er sollte in Münster sein, auch in der vorlesungsfreien Zeit warteten dort Termine und Aufgaben. Doch die Erfahrungen während der letzten Heimfahrt im Zug hinderten ihn daran. An Bruno wollte er gar nicht denken. Seit seine Partei am Sonntag eine deutliche Mehrheit erreicht hatte, war er für Samuel nicht mehr zu sprechen.
    Dabei hatte er ihm mit 14 lebenslange Freundschaft geschworen. Im Nachhinein war er froh, dass Bruno auf die Blutsbrüderschaft verzichtet hatte. Anfangs hatte er davon geschwärmt, dass sie sich wie in den Romanen gegenseitig in einen Finger ritzen und die blutende Stelle aneinanderpressen sollten, damit ihr Blut sich vermischte.
    Samuel lachte verächtlich, als er daran dachte. Vielleicht war es schon damals sein jüdisches Blut gewesen, das Bruno umgestimmt hatte. Er konnte Brunos Vater vor sich sehen, wie er seinem Sohn drohte: »Wehe, du wagst es, dein reines Blut mit dem dieses Judenbengels zu vermischen.« Ob er Judenbengel gesagt hätte?
    Niemand hatte jemals zu ihm Judenbengel gesagt. Seine jüdischen Kommilitonen berichteten davon, dass ihnen schon, als sie klein waren, Judenbengel nachgerufen wurde. Lag es daran, dass es in seiner Heimatstadt weniger Nationalsozialisten gab? Immerhin hatten hier nur 25 Prozent Hitler gewählt, während es in ganz Deutschland durchschnittlich 43 Prozent waren. War er von der Überzahl der Nicht-Nazis bisher geschützt worden?
    Ein Stöhnen und ein Knirschen rissen Samuel aus seinen Gedanken. Erschreckt sah er auf. Sein Vater hatte sich gegen die Lehne seines alten Stuhles geworfen. Für einen Moment hatte Samuel Angst, sie könnte auseinanderbrechen, so laut war das Geräusch. Dann vergaß er diesen Gedanken über der Sorge um seinen Vater, der kreidebleich war. Seine Hände zitterten und ließen die Zeitung rascheln. Samuel lief ein Schauer über den Rücken, dieses Rascheln schien ihm ein Symbol für die Unruhe ihres Lebens.
    »Was ist?«, stieß Samuel hervor und machte einen großen Schritt auf seinen Vater zu. Dieser schüttelte nur den Kopf und ließ die Zeitung los. Er zog seine Hände zu sich heran und betrachtete sie, als gehörten sie nicht zu ihm.
    »Es ist so weit!«
    Samuel konnte seinen Vater kaum verstehen, so leise sprach er. »Was ist so weit?«, wollte er wissen, während er durch die Tür nach draußen spähte. Es war kein Mensch zu sehen. Kein Wunder. Um diese Zeit saßen alle beim Abendessen zu Hause bei ihren Familien. Katharina hatte schon zweimal gerufen, doch sein Vater hatte nicht darauf reagiert.
    »Hier!« Jakob Weizmann schaffte es nicht, seinem Sohn die Zeitung zu übergeben. Er deutete mit dem Kopf auf das Blatt vor sich und ließ sich wieder in den Stuhl zurückfallen. Das erneute Knirschen rief eine Gänsehaut bei Samuel hervor.
    »Du solltest den Stuhl reparieren«, bemerkte er, während er näher kam und nach der Zeitung griff.
    »Das lohnt

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