Brandbücher - Kriminalroman
nach allen Seiten um, während sie die Telefonnummer des Pfarrers wählte.
»Martin Kleine!«, hörte sie wenig später seine Stimme. Sie hatte keine Gedanken dafür, ob sie süß klang oder Reaktionen in ihr auslöste. Sie war einfach nur froh, seine Stimme zu hören und nicht mehr allein zu sein.
»Jemand hat eine Scheibe eingeworfen und eine Drohung hinterlassen.« Karina wunderte sich, dass sie diese Information so ruhig weitergeben konnte. Doch ihre Hand zitterte und als Martin versprach, sofort zu kommen, schluchzte sie auf.
»Ganz ruhig, ich bin doch gleich da«, versprach der Pfarrer.
Karina ließ das Telefon sinken. Wie dunkel es hier war. Ganz anders als in der Großstadt, die sie gewohnt war. Die erste Karte ihrer Tante fiel ihr ein. Nun konnte sie erahnen, wie ihre Tante sich gefühlt haben musste. So ganz allein mit der schwarzen Erde, wie sie es auf der ersten Karte beschrieben hatte. Auch, wenn sie immer noch nicht wusste, was genau geschehen war.
Mit Unbehagen saß sie im Auto und starrte das dunkle Haus an. Es kam ihr so vor, als starrte es zurück. Dunkel und abweisend. Um sich zu beruhigen, schaltete Karina das Radio ein. Sie konnte nicht aufnehmen, was dort gespielt wurde, bis Martin endlich kam. Aber es hatte sie beruhigt.
Zusammen gingen sie um das Haus herum. Es stand weit von den Höfen entfernt, jeder konnte sich ohne Aufsehen nähern.
»Hier ist niemand!«, stellte Martin schließlich fest und bat Karina, die Haustür aufzuschließen.
»Hallo!«, rief er wie Karina eine halbe Stunde zuvor. Auch er bekam keine Antwort. Karina schaltete das Licht ein und prüfte mit Martin jeden Raum. Vom Keller bis zum Dachboden. Alles war wie sonst, nur das Fehlen der kleinen Butzenscheibe in der Haustür zeigte, dass etwas geschehen war.
»Du hast eine Nachricht.« Martin wies auf den Anrufbeantworter, dessen Lämpchen rot blinkte. Karina drückte auf den Knopf, um die Botschaften abzuhören.
›Hey, Karina, hier ist Jenny, melde dich doch mal‹, erklang die vertraute Stimme ihrer Freundin. Karina wollte sich schon abwenden, da ertönte eine weitere Nachricht: ›Ich hoffe, Sie haben die Warnung verstanden. Und wenn Sie Unterlagen haben, vernichten Sie diese!‹
»Die Stimme ist verstellt«, bemerkte Martin und bat Karina, die Nachricht noch einmal abzuspielen. »Eindeutig. Schade. Aber du solltest die Polizei einschalten.«
Karina dachte nach. »Okay, aber morgen reicht auch noch. Ich bin so fertig.«
»Dann bleibe ich aber noch ein bisschen«, erklärte Martin. Karina spürte wieder diese Wärme, die er immer in ihr auslöste. Sie nickte stumm und sah ihn nur an.
»Heute würde ich ein Glas Wein mit dir trinken«, sagte Martin und zog sie an sich. »Allerdings dürfte ich dann nicht mehr Autofahren«, ergänzte er mit einem schelmischen Grinsen.
Karina antwortete mit einem Kuss, ehe sie sagte: »Mmh, bestimmt gibt es in diesem Haus ein Gästezimmer.«
Ihr Blick fiel auf die Unterlagen, die sie im Tresor ihrer Großtante gefunden und fast vergessen hatte. »Ein Glück, dass dieser Typ nicht im Haus war«, sagte sie und bat Martin, die Papiere durchzusehen, während sie den Wein holte.
Als sie zurückkam, war Martin in den Kaufvertrag vertieft. »Interessant«, murmelte er, als Karina neben ihm saß. »Ich finde keinen Kaufpreis. Das ist merkwürdig. Am besten frage ich morgen meinen Bruder, was es damit auf sich hat. Er ist Rechtsanwalt und kennt sich mit solchen Dingen aus.«
Karina öffnete einen vergilbten Umschlag, auf dem sie weder Adresse noch Absender fand. Einige alte Fotos und Zeitungsausschnitte fielen heraus. Alle in derselben Druckschrift, in der auch der Vertrag verfasst wurde.
Sie hob die Ausschnitte auf. »Kannst du das lesen?«, fragte sie und hielt Martin die Papiere hin.
»Hast du ein Glück, dass ich Pfarrer bin«, antwortete er mit einem Lächeln, das bis an die Augen reichte. »Wir mussten so etwas im Studium lesen. Aber jetzt weiß ich ja, wofür das gut war.«
»Zum Verkauf stehen«, las er langsam, aber doch mit einer Sicherheit, die Karina beeindruckte. »Es folgt eine Liste mit Häusern und Hausrat«, fasste er den restlichen Inhalt des Artikels zusammen. Er sah das Blatt von allen Seiten an. »Da steht nirgendwo ein Datum, aber wenn du mich fragst, sind das alles Dinge, die Juden gehört haben. Guck dir doch die Namen an: Cohen, Haas, Landau, Gans. Das waren damals typisch jüdische Namen aus der Region. Das hat der Arbeitskreis Jüdisches Leben
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