Brandbücher - Kriminalroman
arbeitet. Da haben Sie ja wirklich hochrangige Kräfte im Einsatz.«
Karina hoffte, dass sie nicht zu dick aufgetragen hatte, doch Jo Tengelkamp schien zu den Männern zu gehören, die Zwischentöne nicht wahrnahmen. Er setzte sich aufrecht hin und entgegnete ebenso stolz wie seine Empfangsassistentin: »Nicht nur das, PM ist erst durch uns dahin gekommen, wo er heute ist. Er hat uns alles zu verdanken.«
Mit Mühe gelang es Karina, ihr Grinsen zu unterdrücken. Wie der Verleger sich aufplusterte! »Ich weiß, ehe er bei Ihnen anfing, war er bei einer kleinen kirchlichen Zeitung. Kein wirkliches Sprungbrett für einen Reporter, was?« Ehe der Verleger antworten konnte, schob sie nach: »Wie ist PM denn zu Ihnen gekommen?«
Jo Tengelkamp, der schon nach der ersten Frage zu einer Antwort angesetzt hatte, stockte. »Äh«, ließ er mehrmals vernehmen, um dann zu sagen: »Das weiß ich gar nicht mehr.«
»Aber Sie waren damals doch schon Verleger, oder?« Karina klopfte sich innerlich auf die Schulter für diese schöne Frage.
»Ja, mein Vater ist früh verstorben, da habe ich den Verlag übernommen.« Hier fühlte sich Jo Tengelkamp wieder sicher, das merkte Karina gleich.
Fieberhaft überlegte sie, welche Information ihr fehlte. »Das war bestimmt nicht leicht, da waren Sie doch noch jung.«
»Mein Vater ist im Krieg verwundet worden und die Folgeschäden haben ihm den Rest gegeben«, erzählte er.
»Ach, war Ihr Vater nicht mit Wilhelmine Schulze-Möllering, einer Freundin meiner Oma, verheiratet?« Karina tat so, als wäre ihr die Frage soeben eingefallen, dabei stand sie ganz oben auf ihrem inneren Fragenkatalog. Sie ging zwar das Risiko ein, dass das Gespräch auf ihre Tante kam, aber wenn sie auf diese Frage eine Bestätigung bekam, war es das wert.
»Ja, meine Mutter war eine geborene Schulze-Möllering, das stimmt«, antwortete Jo Tengelkamp und griff gleich den Faden zu ihrem eigentlichen Gesprächsthema auf. »Ich weiß nicht, ob sie mit Ihrer Großmutter befreundet war, aber Ihre Großtante hat eine Zeit lang im Haus meiner Großeltern gearbeitet, da sind sie sich vielleicht begegnet.«
Karina lächelte ihn zufrieden an, wobei sie sich nicht so sehr über ihn freute als darüber, dass er sich sehr intensiv mit ihren Familienverhältnissen beschäftigt hatte.
Erstaunlich, was man mit cleveren Fragen alles aus den Leuten herausholen kann, dachte sie und spielte kurz mit dem Gedanken, ins Ermittlerfach zu wechseln. Leider würde dieses aufschlussreiche Gespräch sie ihre gekürzten Abschriften kosten, aber die hatte Martin so geschickt geändert, dass sie nichts Neues enthielten. Vor allem hatte er alle Namen anonymisiert. »Sicher ist sicher«, war seine Begründung. »Medien gegenüber sollte man immer etwas vorsichtiger sein.«
»Das ist mit ein Grund, warum ich mich ausgerechnet für die Postkarten Ihrer Großtante interessiere.«
Karina versuchte sich zu erinnern, was der Verleger zuvor gesagt hatte.
»Ich habe Ihre Großtante zwar nicht gekannt, aber irgendwie gibt es doch eine persönliche Beziehung.« Jo Tengelkamp beugte sich vor und sah Karina eindringlich an. Der Blick passte so gar nicht zu der scheinbar harmlosen Erklärung und Karina fragte sich, was sie überhört hatte und ob es in den Karten etwas gab, das für die Familie des Verlegers wichtig war. Sie konnte sich nicht daran erinnern und nahm sich vor, die Karten unter diesem Aspekt erneut durchzuarbeiten. Doch zunächst schob sie Jo Tengelkamp die Postkartenabschriften hin, die sie bei Martin ausgedruckt hatte.
»Ich habe die Karten abgeschrieben«, erklärte sie, »sie waren in deutscher Schrift, die kann ja nicht jeder lesen.«
Der Verleger wirkte sichtlich enttäuscht. »Ach schade, in einer Zeitung wirkt so eine Originalkarte immer besser als eine Abschrift. Außerdem lautet eine alte Reporterregel: Traue nur den Abschriften, die du selbst angefertigt hast.«
Sein Lachen kam Karina unecht vor. Sie blieb auf der Hut, auch wenn sie mitlachte. Schließlich wusste sie nur zu genau, dass die alte Reporterregel zumindest in ihrem Fall zutraf. »Lesen Sie sich doch erst einmal alles durch«, schlug sie vor. »Wenn Sie etwas veröffentlichen möchten, kann ich Ihnen einen Scan der Karte schicken.« Bis dahin wusste sie sicherlich mehr über die Zusammenhänge.
Karina beobachtete, wie der Verleger die Ausdrucke durchblätterte. »Wenn Sie mich entschuldigen würden«, sagte er völlig unvermittelt, als wäre ihm eingefallen, dass
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