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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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Sigi. »Aber vielleicht hat er’s ja jetzt begriffen.«
    »Ihr wisst doch genau, dass er gar nicht weg kann.«
    »Klar kann er das«, sagte Zorro. »Zu Fuß übers Eis. Machen andere ja auch.«
    »Aber nicht so, wie ihr ihn zugerichtet habt.« Selbst ein unversehrter Thiel wäre nicht der Erste, der in der kilometerweiten Schneewüste in einem Eisloch versank. »Er bleibt also hier, solange es nötig ist, und ihr werdet ihn nicht mehr anrühren. Habt ihr das verstanden?«
    »Und wie lange soll das dauern?« Sigi sah Pieplow herausfordernd an. »Zum Schluss findet er’s bei dir so gemütlich, dass er gar nicht mehr geht.«
    »Selbst wenn – dann müsstet ihr euch auch damit abfinden«, sagte Pieplow. Er bezahlte sein Bier und klopfte kurz auf das Thekenholz. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Nur zur Warnung: Solltet ihr euch wieder an Thiel vergreifen, werde ich dafür sorgen, dass ihr nicht so glimpflich davonkommt wie diesmal. Sagt das auch allen anderen, für die das wichtig sein könnte.«
    »Aye, aye, Sheriff!«, höhnte drinnen jemand. Aber da war die Tür schon hinter Pieplow ins Schloss gefallen.
    In der Wärme der Gaststube hatte er vergessen, wie kalt der Wind war. Scharf und schneidend jagte er mit unverminderter Kraft über die Insel. Pieplow schlug den Jackenkragen hoch und war froh, dass er nur ein paar Schritte laufen musste.
    »Wie geht es ihm?«
    Pieplow hatte die Hand schon auf dem Gartentor, als Hella ihn erreichte. Es dauerte einen Moment, bis
er wusste, nach wem sie fragte. Und was ihre Frage zu bedeuten hatte.
    »Du hast mich gestern angerufen.«
    Hella nickte. Sie hatte die Hände unter die Achseln geschoben und schien noch mehr als Pieplow zu frieren.
    »Ich hatte Angst, dass etwas Schlimmes passiert«, sagte sie. »Aber ich will nicht, dass die anderen es erfahren. Dass ich dich angerufen habe, meine ich.« Sie sah den Weg zum Godewind zurück, aber dort war niemand.
    Pieplow erklärte ihr, was er unter Dienstverschwiegenheit verstand.
    »Er hält sich ganz gut«, sagte er. »Auch wenn er fürchterlich aussieht. Es wird eine Weile dauern, bis er wieder unter Leute kann. Aber du bist wohl die Einzige, die sich seinetwegen Sorgen macht.«
    Hella schwieg einen Moment. Zuckte mit den Achseln. Stupste mit ihrer Schuhspitze eine Delle in den Schnee und schien nach einer passenden Antwort zu suchen.
    »Na ja«, sagte sie dann, »er ist schließlich auch ein Mensch, oder?«

13
    Die Alten brauchten keinen Wetterbericht. Lange bevor der Sturm die nördliche Ostsee erreichte, hatten sie ihn in ihren Knochen gespürt. In den Narben, die der Krieg und die Seefahrt hinterlassen hatten. Behaupteten sie jedenfalls.
    Zwei Tage tobte er über der Insel. Die See bäumte sich in mannshohen Wellen auf und stürzte donnernd gegen den Eiswall im Westen. Abseitsgelegene Häuser versanken bis zur Dachtraufe im Schnee. Die Windflüchter krallten sich mit ihren Wurzeln ins Steilufer und krümmten sich mit pfeifenden Kronen landeinwärts. Im Hochland ächzten die Bäume unter der zentnerschweren Last auf ihren Zweigen. Böen in Orkanstärke rasten durch die Dörfer und fegten Schindeln wie Herbstlaub von den Firsten. Der alte Gutshof büßte Fensterscheiben und nach Norden hin einen Großteil seines Daches ein.
    Die Hiddenseer nahmen es gelassen. Nur die empfindlicheren Seelen meinten das Zittern der Insel zu spüren.
    Natürlich hätte Pieplow zuhause bleiben können. Es gab nichts Zwingendes, das ihn vor die Tür trieb.
Trotzdem kämpfte er sich über das menschenleere Norderende zum Rathaus vor. Er hoffte auf einen ungestörten Nachmittag, den er mit einem frischen Kaffee und einem fünfzehn Jahre alten Gerichtsurteil zu verbringen gedachte. Insbesondere mit den zwanzig Seiten ausführlicher Urteilsbegründung, die ein ziemlich klares Bild der Ereignisse zeichneten.
    Da waren zunächst die örtlichen Gegebenheiten. Ein kleines Haus am Dorfrand. Vom Festplatz samt Festzelt nur wenige Minuten Fußweg entfernt zwischen niedrigen Kiefern und Strauchwerk gelegen. Zwei Zimmer, eine Kammer. Der winzige Flur mit der Haustür, hinter der Manuela F. gefunden wurde.
    Auf der anderen Dorfseite das Gut. Das Gesindehaus, Thiels Unterkunft. Daneben der Werkzeugschuppen. Ein altes, wenig stabiles Bretterding, mit einem für Schuppentüren üblichen Kastenschloss gesichert.
    Warum dies in der Tatnacht nicht der Fall gewesen sein soll, konnte der Angeklagte nicht nachvollziehbar erklären.
    Ebenso wenig die dort

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