Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Ermittlungen
keinerlei Zweifel ergeben hatten. Nach Aussage mehrerer Zeugen hatte sich Ole Jensen zum Tatzeitpunkt im Festzelt aufgehalten. Arek Jablonsky war erst am Tag nach der Tat aus Polen zurückgekehrt, wo er das Wochenende bei seiner Familie verbracht hatte. Dass beide sexuelle Beziehungen zum Opfer einräumten, sprach nicht gegen sie, sondern vielmehr dafür, dass darin das Tatmotiv des Angeklagten begründet lag.
Sexuelle Beziehungen. Zu drei Männern. Ob gleichzeitig oder nacheinander, darauf war das Gericht nicht eingegangen.
Thiel hatte aufgeräumt. Nicht besonders gründlich, wie Pieplow feststellte. Aber immerhin.
»Und davon wollen Sie nichts gewusst haben?« Pieplow versuchte, in Thiels Gesicht nach Zeichen von Lüge oder Wahrheit zu forschen. Er sah wenig mehr als eine grünblaue Fläche, die von der Augenbraue bis zum Kinn reichte. An den Rändern begann sie ins Gelbliche zu schimmern.
»Ich wollte es gar nicht wissen«, sagte Thiel.
»Das verstehe ich nicht. Ich meine, wenn …«
»… wenn man an so eine gerät, lässt man besser die Finger davon, das meinen Sie doch, oder?«
»In etwa, ja.«
»Sie war kein Flittchen, wenn es das ist, was Sie denken. Sie war …«
Stolz. Frei. Solche Worte fielen ihm ein, wenn er an Manu dachte.
Aussprechen wollte er sie nicht. Zu altmodisch, zu theatralisch. »Sie hat nur das getan, was sie wollte. Egal, was es war. Reden. Schweigen. Lieben. Und wenn sie lachte, klang das manchmal … wie soll ich sagen … es klang, als ob Glück eine ernste Angelegenheit wäre.« Thiel seufzte. Er lehnte sich ins Sofa zurück und verschränkte die Arme. Was ließ sich sonst noch sagen?
Dass sie gern tanzte. Am liebsten diese alten Sachen, die außer den Tanzschulstrebern kaum einer konnte. Walzer und Rumba zum Beispiel. Und wenn man ihr dabei zusah, war das zum Verrücktwerden schön. Daran änderte auch nichts, dass ein anderer sie in den Armen hielt.
»War das am Tatabend auch so?«
»Was?«
»Dass Sie am Rand standen und es zum Verrücktwerden schön fanden, wie Ihre Geliebte mit anderen tanzte.«
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Pieplow. Ja, ich habe am Rand gestanden. Und, bevor Sie danach auch noch fragen, nein, es hat mich nicht wütend gemacht. Nicht mehr als sonst jedenfalls.«
»Erinnern Sie sich, mit wem Manuela an diesem Abend getanzt hat?«
»Auch das habe ich schon hunderte Male beantwortet. Soweit ich weiß, waren das Möhle …«
»Der Feuerwehrmann.«
»Genau.Als er noch nüchtern war. Dann Rohrbach, der Lehrer, und Jensen, der Bauleiter.«
»Die Tanzstundenstreber?«
»Kann man so sagen, ja. Auf jeden Fall machten sie ihre Sache besser als ich.«
»Aber von Ihnen ließ sie sich nach Hause bringen.«
Thiel antwortete nicht gleich. Er drehte sich eine Zigarette und zündete sie an. Den Rauch blies er rücksichtsvollerweise zur Seite.
Pieplow ging die Qualmerei trotzdem gegen den Strich. Es würde wahrscheinlich Wochen dauern, bis die Wohnung nicht mehr stank wie früher die Kneipen.
»Ich bin ihr hinterhergelaufen«, sagte Thiel. »Sonst wäre sie allein gegangen.«
»Warum?«
»Warum was?«
»Wenn ich richtig verstanden habe, hat sie gar keinen Wert auf Ihre Begleitung gelegt. Warum also haben Sie sich aufgedrängt?«
»Das können Sie sich ja wohl denken.«
»Sagen Sie es mir.«
»Natürlich hatte ich gehofft, ich könnte noch bei ihr bleiben. Wenigstens eine Stunde oder so. Aber das wollte sie nicht. Also bin ich in meine Wohnung gegangen, habe noch ein Bier getrunken und mich dann schlafen gelegt.« Thiel hätte seine Wahrheit gerne beschworen. Bei allem, was ihm heilig war, beispielsweise. Bei seiner ewigen Seele.
Weder das eine noch das andere kam infrage. Es gab nichts, was seiner sterblichen Seele heilig war.
Dieser traurige Umstand beschäftigte ihn eine Weile, deshalb bemerkte er nicht gleich, dass Pieplow schweigend und mit gerunzelter Stirn in die Dunkelheit hinaussah. Der Sturm war abgeebbt, und es hatte zu schneien aufgehört.
»Dieser Ehmke«, sagte Pieplow schließlich, ohne den Blick von der weißen Dünenlandschaft in seinem Garten zu nehmen, »der war doch, wenn ich das richtig verstanden habe, Kriminalpolizist.«
»Stimmt. In Stralsund.«
»Und zufällig auf diesem Feuerwehrfest?«
»Nicht zufällig. Im Sommer war er am Wochenende immer da. Er hatte ein Haus am Bodden.«
»Verstehe«, sagte Pieplow. »Wie die Stralsunder hier oder die Rostocker auf dem Darß.«
»So ähnlich«, sagte
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