Brandfährte (German Edition)
holte sich frische Wäsche aus dem Schrank und spürte, dass ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Aber es half nichts. Er durfte die Besprechung im Präsidium nicht verpassen.
«Willst du in deinem Zustand etwa zur Arbeit?» Ira stand in der Tür und musterte ihn empört. In der einen Hand hielt sie eine Tüte mit Salzstangen, in der anderen eine Flasche Wasser.
«Mir geht es schon besser», log Steenhoff. «Deine Medikamente haben gut geholfen.» ‹Es ist nur eine kleine Notlüge›, versuchte er sein Gewissen zu beruhigen. Ansonsten hätte er eine längere Diskussion mit seiner Frau ausfechten müssen. Sie lief stets zu Hochform auf, wenn er krank wurde. Zum Glück passierte das nicht oft. Dank seinen regelmäßigen Joggingrunden durchs Moor und dem gelegentlichen Krafttraining in der Sporthalle des Präsidiums fühlte er sich meistens fit und bei guter Kondition.
Ira sah ihn prüfend an. «Du siehst nicht aus, als könntest du heute irgendwelchen Räubern hinterherjagen.»
Zwei Stunden später verteilte Steenhoff an seine Kollegen die Adressen der Bremer Drogeriefilialen, die laut Fallanalyse als weitere potenzielle Tatorte in Frage kommen könnten. Dann fasste er zusammen, was sie bislang über die beiden Täter wussten. Während er sprach, lief es ihm heiß und kalt den Rücken hinunter. Er beschloss, das unangenehme Gefühl nicht weiter zu beachten, und arbeitete Punkt für Punkt ab.
Erschöpft setzte er sich nach 20 Minuten wieder auf seinen Stuhl und blickte in die Runde: «Gibt es noch Fragen?»
Mehrere Männer nickten. Sie wollten sich zu siebt eine Woche lang in den verschiedenen Filialen auf die Lauer legen. Thorsten Marx vom MEK hatte vier seiner Leute für die Aktion zur Verfügung gestellt. «Wie gefährlich schätzt ihr die Männer ein?», wollte er nun wissen. Steenhoff fluchte innerlich. Er war tatsächlich nicht bei der Sache. Den wichtigsten Aspekt hatte er völlig vergessen anzusprechen. Er wollte wieder aufstehen, doch schon allein die Vorstellung kostete ihn Kraft.
«Ihre bisherige Vorgehensweise spricht dafür, dass sie keine Skrupel kennen», sagte Steenhoff ernst. «Der Bezirksleiter hatte ungeheures Glück, dass die Kugeln ihn nicht getötet haben. Ich denke, ihr wisst, was das heißt. Dieser Einsatz ist kein Spaziergang. Schusswesten sind Pflicht.»
Er sah ernst in die Runde. Bei zwei jungen Beamten meinte er, Abenteuerlust in den Augen zu sehen. Er würde Marx darauf ansprechen müssen. Bei dieser Aktion brauchten sie besonnene Polizeibeamte und keine Möchtegernhelden. Navideh, die sich als einzige Frau beteiligte, wirkte ruhig und konzentriert.
Mit der Geschäftsführung der Drogeriekette war vereinbart, die Verkäuferinnen erst unmittelbar vor der Observierung einzuweihen. Je weniger Mitwisser, desto besser. Die Techniker der Polizei würden zuvor im Kassenbereich einen Alarmknopf einbauen. Mit Beginn der Aktion würden auch die zuständigen Reviere und das Lagezentrum informiert. Die Beamten mussten sich auf die schnelle Hilfe ihrer Kollegen verlassen können.
Nach anderthalb Stunden war die Besprechung beendet. Am nächsten Nachmittag würde es losgehen. Steenhoff hoffte inständig, bis dahin wieder fit zu sein. Während er gemeinsam mit Petersen die Tassen zur kleinen Küchenzeile des Kommissariats trug, betrachtete ihn seine Kollegin besorgt.
«Du siehst kaputt aus», stellte sie nüchtern fest. «Bist du krank?»
«Ich habe ein bisschen Magenprobleme», wiegelte Steenhoff ab.
«Und Fieber», ergänzte Petersen. «Du solltest dich besser ins Bett legen.»
Steenhoff quälte sich ein Lächeln ab. «Ich muss ja die nächsten Tage nichts anderes tun als sitzen und warten.»
Petersen erwiderte nichts, aber Steenhoff spürte, dass sie skeptisch war.
Am Nachmittag hatte er das Gefühl, am ganzen Körper zu glühen. Petersen brachte ihm zwei Flaschen Wasser aus der Kantine mit, die er gierig austrank. Nach dem zweiten Spurt zur Toilette begegnete er auf dem Flur dem Kommissariatsleiter. Tewes wollte von ihm wissen, ob er schon mit Rüttger gesprochen hatte. Steenhoff war gerade dabei, seine Eindrücke vom Brandort zu schildern, als ihn Tewes unterbrach. «Sag mal, Frank, du hast so glasige Augen. Bist du krank?»
Steenhoff, bei dem sich die Hitzeschübe inzwischen halbstündlich mit Kälteschauern abwechselten, seufzte resigniert. «Ich fürchte, ich habe mir den Magen etwas verkorkst. Ich werde heute früher Feierabend machen, damit ich morgen wieder fit
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