Brandfährte (German Edition)
Querverriegelung? Ganz abgesehen von dem Sicherheitsblech. Ich habe die anderen Bewohner im Haus befragt – hier ist in den vergangenen Jahren nie eingebrochen worden. Maike Ahlers hat aber bei der letzten Hausversammlung darauf bestanden, dass die Haustür immer abgeschlossen wird, und zwar zweimal. Das steht ausdrücklich im Protokoll der letzten Mieterversammlung. Wenn ihre Mitbewohner es mal vergaßen, gab es regelmäßig Ärger mit ihr.»
«Manche Frauen sind sehr ängstlich», gab Steenhoff zu bedenken. «Vielleicht war sie schon mal Opfer eines Verbrechens? Habt ihr das abgeklärt?»
Rüttger schüttelte den Kopf. «Da war nichts. Das heißt, einmal sind ihre Autoreifen zerstochen worden. Sonst ist nichts aktenkundig geworden.»
«Was sagt ihre Familie dazu?»
«Sie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Die beiden haben sich aber scheinbar nicht besonders gut verstanden. Jedenfalls haben sie sich nach ihrem Auszug von zu Hause nicht mehr oft gesehen. Zuletzt waren Maike Ahlers’ Anrufe so selten geworden, dass ihre Mutter sich Sorgen machte und ihre Tochter anrufen wollte.»
«Und?», fragte Steenhoff ungeduldig.
«Es gab ihre Nummer nicht mehr. Maike Ahlers hatte sich eine Geheimnummer zugelegt.» Rüttger atmete tief aus. Übrigens ihre zweite in drei Monaten.»
Steenhoff schaute ihn gespannt an.
«Ihre Mutter ist dann irgendwann vor ein paar Wochen hier einfach aufgetaucht und hat minutenlang geklingelt», fuhr Rüttger fort. «Gerade bevor sie wieder gehen wollte, machte ihre Tochter endlich auf. Angeblich hatte Maike Ahlers fest geschlafen. Die Mutter hatte allerdings den Eindruck, dass Maike sie nicht gern in ihre Wohnung ließ.»
Rüttger nahm ein Taschentuch aus der Hose und schnäuzte sich laut. «Na ja, sie haben sich dann auch gleich wieder gestritten. Nach Aussage ihrer Mutter war die Wohnung völlig zugemüllt.»
«Hm.» Nachdenklich setzte sich Steenhoff auf einen Stuhl im Wohnzimmer.
«Vorsicht!», rief Rüttger. Doch die Warnung kam zu spät. Mit einem leisen Knacks gab das hintere, angekohlte linke Stuhlbein nach, und Steenhoff stürzte zu Boden. Zwar gelang es ihm noch, den Sturz mit einer Rollbewegung abzumildern, doch dafür waren der Overall, seine linke Gesichtshälfte und die linke Hand mit feuchtem Ruß verdreckt. Laut fluchend richtete er sich wieder auf. «Alles okay?», fragte Rüttger besorgt.
«Ja, ja. Schon gut.» Missmutig schaute sich Steenhoff in der abgebrannten Wohnung um. «Ich weiß gar nicht, wie du die Arbeit im Brand aushältst, Manfred. Das geht doch auf die Stimmung. An deiner Stelle würde ich schleunigst zu uns wechseln. Ein paar ordentliche Tötungsdelikte im Jahr – das ist doch etwas ganz anderes als dies hier.»
Schmunzelnd klopfte Rüttger ihm den gröbsten Dreck von den Schultern. «Ich darf mich ja ab und zu bei euch erholen.»
«Wie stark ist eure Tote eigentlich verbrannt?», fragte Steenhoff plötzlich.
«Es war noch etwas zum Obduzieren da, wenn du das meinst», antwortete Rüttger. «Laut Obduktionsbericht lebte sie noch, als sie verbrannt ist.»
Steenhoff nickte.
«Das heißt, sie hatte Rußpartikel in der Lunge und hatte zuvor durch eine Rauchgasvergiftung das Bewusstsein verloren.»
«Ja, so muss es gewesen sein», stimmte ihm Rüttger zu. Steenhoff sah Rüttger fragend an.
«Aber du bist immer noch nicht überzeugt, dass Maike Ahlers eine normale Brandleiche ist? Habe ich recht?»
«Ja.»
«Los, spuck’s schon aus!», forderte ihn Steenhoff auf.
Nun war es Rüttger, der sich nach einer Sitzunterlage umsah. Mit einem angekokelten Buchdeckel fegte er sich eine kleine Fläche auf einem Beistelltisch frei und setzte sich vorsichtig. Dann sah er Steenhoff ernst an. «Ich war bei der Obduktion der Frau dabei. Die Haut und das Fleisch an ihren Armen waren von den Händen bis zum Ellenbogen stark verbrannt. Vor allem an der Oberseite der Arme.»
Steenhoff pfiff leise durch die Zähne. «Das heißt, Maike Ahlers müsste unter der Decke geraucht haben.»
«Oder …» Rüttger machte eine kleine Pause, «jemand hat sie zugedeckt.»
6
Steenhoff und Rüttger zogen sich bei geöffneter Tür im Bulli um. Eine ältere Frau, die ihren Hund spazieren führte, blieb stehen, als sie die beiden Männer in ihren Unterhosen sah. Kopfschüttelnd ging sie weiter. Erst als sie beide wieder saubere Kleidung anhatten, setzten sie sich nach vorne. Die «Schwarz-Weiß-Trennung», wie die Brandermittler das Procedere nannten, wurde von den Männern
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