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Brandfährte (German Edition)

Brandfährte (German Edition)

Titel: Brandfährte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Nervosität wahrnahm. Die Beamten stellten sich mit Namen und Dienstgrad vor und forderten ihn auf, sich auf den Stuhl zu setzen.
    Als Steenhoff einmal aufstand, stieß er versehentlich gegen den Tisch, auf dem ein Kuli lag. Mit einer ruckartigen Bewegung wollte er den Kuli auffangen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass der Russe zusammenzuckte.
    ‹Er hat Angst, geschlagen zu werden›, dachte Steenhoff verblüfft.
    Anders als sein Komplize antwortete der Mann zunächst zögernd und dann immer bereitwilliger auf die Fragen des Dolmetschers. Bereits nach einer Viertelstunde ließ er den Übersetzer das erste Mal wissen, dass er die Überfälle bedauere. Wiederholt rieb er sich die Augen. Steenhoff vermutete, dass er weinte. Schließlich verfiel er ins Jammern. Steenhoff lehnte sich zurück, hörte zu und machte sich Notizen.
    Nach anderthalb Stunden meinte der Russe, alles berichtet zu haben. Doch da hatte er sich geirrt. Anhand seiner Notizen begann Steenhoff noch einmal ganz von vorn. Jede Antwort führte zu weiteren Fragen und zu neuen Anmerkungen. Erst am frühen Morgen brachen sie die Vernehmung ab. Steenhoff und Petersen hatten mehr erfahren, als sie anfangs zu hoffen gewagt hatten. Steenhoff war sich sicher, dass der Mann in den folgenden Tagen noch mehr sagen würde.
     
    «Die beiden dürfen sich unter keinen Umständen begegnen», schärfte er den beiden Beamten ein, die den Russen schließlich in die Untersuchungshaft brachten. Bislang deutete alles darauf hin, dass die beiden nicht zu einer Bande gehörten, sondern auf eigene Faust nach Deutschland gekommen waren. Angeblich hatten die beiden Männer, die sich als Soldaten in Tschetschenien kennengelernt hatten, bei der russischen Mafia in Lettland Schulden gemacht. Handlanger der Organisation hatten sie und ihre Familien mit dem Tode bedroht, wenn es ihnen nicht gelingen sollte, das Geld bis Ende Oktober zurückzuzahlen. Daraufhin, so erzählte der zweite Täter bei seiner Vernehmung, hatten die beiden Freunde beschlossen, für ein paar Überfälle nach Deutschland zu gehen, um danach mit ihrer Beute sofort wieder nach Lettland zu verschwinden.
    «Und warum gerade Bremen?», wollte Petersen von dem Mann wissen.
    «Wir sind hierhergekommen, weil ein Cousin von Jegor in Bremen lebt.»
    Petersen und Steenhoff wechselten kurz einen Blick. Zumindest dieser Teil der Aussage stimmte. Die Beamten, die kurz nach der Festnahme die Wohnung der beiden Straftäter durchsucht hatten, waren auf eine entsetzte russischstämmige Kleinfamilie gestoßen. Das Ehepaar wollte nicht glauben, dass der Cousin, der in Lettland mit drei Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet wurde, ein gesuchter Räuber sein sollte. Zugleich bezweifelte Steenhoff, dass die Geschichte mit der Mafia stimmte. Jegor Bulgakow machte nicht den Eindruck, als ließe er sich so schnell unter Druck setzen. Steenhoff spulte das Aufnahmegerät mit der Vernehmung des Mannes zurück und suchte nach einer bestimmten Passage. Endlich fand er sie. Er schaute Navideh an, die ein Gähnen unterdrückte. «Ich möchte wissen, was du davon hältst.»
    Als Erstes hörten sie den trockenen Raucherhusten des Mannes. Dann setzte er erneut zum Sprechen an. Danach kam die Übersetzung des Dolmetschers.
    «Die ersten zwei Überfälle verliefen ohne Zwischenfälle. Nach drei Wochen hatten wir genug Geld zusammen, um unsere Schulden zu bezahlen. Aber Jegor wollte nicht aufhören.»
    Der Mann kämpfte einen erneuten Hustenanfall nieder. «Jegor meinte, die Ernte sei noch nicht vorbei. Ich bat Jegor, endlich Schluss damit zu machen, aber da fing er an, mich zu bedrohen. Da habe ich es dann wieder getan.»
    Steenhoff drückte auf Pause und sah Navideh fragend an.
    «Er sagt aus, antwortet auf jede Frage, und trotzdem finde ich ihn grässlich», sagte Navideh spontan.
    «Ja», stimmte ihr Steenhoff zu. «Mir geht es genau wie dir. Versuch bitte zu beschreiben, warum.»
    Navideh setzte sich auf die rechte Tischkante und überlegte.
    «Er tut so, als sei er das eigentliche Opfer in der Geschichte. Verantwortlich sind demnach die russische Mafia und Jegor. Immer wieder Jegor. Er selbst scheint sich überhaupt nicht als Täter zu sehen.»
    Steenhoff nickte. «Und in diesem Glauben werden wir ihn so lange lassen, bis er alles auf den Tisch gelegt hat. Er ist der Schwächere der beiden und ergeht sich in Selbstmitleid. Das müssen wir nutzen. Ich könnte wetten, dass die beiden ihre …» Er suchte einen Moment nach dem Wort, das der Mann

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