Brandfährte (German Edition)
gegen mich. Eine halbtote Frau – und der Letzte, mit dem sie gesehen wurde, bin ich. Und zwar laut Nachbarin ‹in inniger Umarmung›.» Unbewusst machte er die Stimme der alten Frau Geldmann nach und fügte erklärend hinzu: «Die Frau aus dem Nebenhaus hat den Ermittlern heute Morgen gesagt, ich hätte an dem Sonnabend viele Stunden bei Martina Benke zugebracht und wir hätten uns im Garten geküsst.»
«Aber dem steht doch dein Wort entgegen», erwiderte Petersen heftig.
«Nein, die alte Frau hat recht. Martina Benke hat mich tatsächlich umarmt und mir als Dank für die Gartenarbeit einen Kuss aufgedrückt. Ein kleiner, billiger Dank für einen Volltrottel, der seine eigene Frau zu Hause sitzenlässt, um den hilfsbereiten Gärtner für seine neue Mieterin zu spielen.» Er fuhr sich mit den Fingern der rechten Hand durch die Haare. «Ich war an dem Nachmittag irgendwann ziemlich gereizt und fühlte mich von der Frau ausgenutzt.»
Zum ersten Mal sah er Petersen direkt an. «Aber ich habe dann trotzdem mit ihr ein Glas Sekt getrunken auf diesen bescheuerten, neugestalteten Vorgarten.»
«Und dann?»
«Und dann bin ich nach Hause gefahren, weil Ira und ich am Abend noch was vorhatten.»
«Aber dann hast du doch ein Alibi für den Abend und die Nacht», sagte Petersen. Ihre Stimme klang erleichtert.
«Nein, das habe ich nicht», erwiderte Steenhoff nüchtern. Verständnislos sah Petersen ihn an.
«Ich hatte Ira an dem Sonnabend versprochen, am frühen Nachmittag wieder zu Hause zu sein. Sie war sowieso ungehalten darüber, dass ich in unserer knappen gemeinsamen Zeit noch zu unserer Mieterin nach Hastedt fahren wollte. Als ich am frühen Nachmittag noch immer nicht zurück war, ist sie wutentbrannt zu ihrer Freundin gefahren und hat mit ihr was in Bremen unternommen. Sie hat auch bei ihr geschlafen und ist erst am nächsten Morgen zum Frühstück zurückgekommen.»
«Aber vielleicht hat dich einer deiner Nachbarn gesehen?» Steenhoff zuckte mit den Achseln.
«Nein, außer Ben gibt es niemanden, der bezeugen könnte, dass ich ab dem späten Nachmittag übelgelaunt zu Hause rumgesessen habe.»
«Wer ist Ben?»
«Maries Hund.»
Rüttger stand plötzlich in der Tür. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit kam er direkt zur Sache: «Frank, was wollten Frehls und Tetzlaff von dir?»
Steenhoff holte tief Luft. «Ich bin vom Dienst suspendiert, Manfred.»
Er schnaufte verächtlich. «Nein, warte. Sie sagten ‹vom Dienst befreit›. Vorläufig oder so ein Mist. Ach, verdammt. Es ist mir scheißegal, wie sie’s nennen.» Er schleuderte den Stift, den er in der Hand hielt, so heftig gegen die Wand, dass er zerbrach.
«Mein Gott, Frank. Was ist denn bloß passiert?» Rüttger klang alarmiert.
Mit knappen Worten wiederholte Steenhoff, was er gerade Petersen erzählt hatte.
«Sie ist nicht tot, sondern liegt im Koma?», fragte Rüttger, als Steenhoff mit seinem Bericht geendet hatte. Steenhoff nickte. «Aber wenn sie im künstlichen Koma ist, wird sie in den nächsten Stunden oder Tagen aufwachen und uns erzählen, wer sie überfallen hat.»
Steenhoff seufzte tief. «Sie liegt nicht im künstlichen Koma, Manfred. Tatsächlich hat Frehls gesagt, ihre Überlebenschancen seien gering. Sie hat eine schwere Kopfverletzung, einen Schädelbasisbruch.»
«Aber die glauben doch nicht, dass du das warst!» Rüttger schüttelte ungläubig den Kopf.
Steenhoff sah auf das weiße Blatt Papier auf seiner Schreibunterlage und kritzelte einen Kringel an den anderen.
«Ich weiß nicht, was sie glauben. Aber Frehls hat mich vorsichtshalber belehrt.»
«Ich fass es nicht!» Rüttgers Stimme überschlug sich vor Zorn. «Du willst mir erzählen, die haben dich wie einen x-beliebigen Tatverdächtigen behandelt?»
«Ja.»
Steenhoff machte eine Pause, um sich zu sammeln. Dann hob er den Kopf und sah seine beiden Kollegen direkt an. Ernst sagte er: «Sie hatten allen Grund dazu.»
Rüttger starrte ihn mit offenem Mund an. Petersen saß steif auf ihrem Stuhl. Die Anspannung im Raum war mit Händen zu greifen. Schließlich beendete Steenhoff das Schweigen. «Die Kollegen vom Kriminaldauerdienst haben am Sonntag ein Schreiben im Briefkasten von Martina Benke gefunden. Der Tenor des Briefes war dreist, beleidigend und aggressiv – und er war mit meinen Initialen unterzeichnet. Dass FS für Frank Steenhoff stehen soll, darauf kamen sie erst, nachdem die alte Nachbarin ihnen von meinem Garteneinsatz bei Martina Benke erzählt
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