Brandfährte (German Edition)
glaube, sie steht unter Schock.» Er suchte nach Worten. «Ich weiß nicht, was die ihr erzählt haben, aber sie wirkte irgendwie distanziert und kühl.» Er massierte sich beim Reden die Stirn, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen. «Ich hoffe, dass Ira nicht glaubt, ich hätte etwas mit dieser Geschichte zu tun.»
«Natürlich glaubt sie das nicht», sagte Petersen mit Nachdruck.
Steenhoff wurde nervös. «Ich fahre nach Hause. Wir telefonieren nachher.»
Er griff sich seine Jacke und eilte in Richtung Treppenhaus. Petersen sah besorgt aus dem Fenster. Steenhoff fuhr so schnell vom Parkplatz, dass ein Beamter dem Wagen neugierig hinterherschaute.
«Wir hätten ihn begleiten sollen», sagte Petersen.
Rüttger knetete seinen verspannten Nacken. «Das hätte er nicht gewollt. Da muss er die nächsten Stunden allein durch.» Er nickte Petersen zu. «Lass uns sehen, dass wir mehr über den Fall erfahren.»
«Du willst doch nicht als Franks engster Kollege bei Frehls’ Leuten anklopfen?», fragte Petersen verblüfft.
Rüttger bemühte sich um ein Lächeln. «Nein, ich dachte, ich gehe mal in der Kantine in Ruhe einen Kaffee trinken, und du erkundigst dich ganz unschuldig bei Tetzlaff, wie es denn nun ohne Frank weitergehen soll. Mal sehen, wer mehr erfährt.»
An die Heimfahrt konnte sich Steenhoff später nicht mehr erinnern. Er bremste vor roten Ampeln, genauso mechanisch, wie er zwei Minuten später wieder Gas gab, wenn es Grün wurde. Wie ein Automat bediente er die Schaltung und den Blinker. Die Häuser links und rechts der Straße tauchten nur wie Schatten in seinem Bewusstsein auf. Seine Gedanken waren bei dem Gespräch mit Ira. Es kränkte ihn, dass Tetzlaff nicht rückhaltlos hinter ihm stand, dass er überhaupt in Erwägung zog, er könnte der Mann sein, den sie suchten. Und Frehls’ routinierte Distanz zu einem Menschen, der am Morgen noch Kollege war, empörte ihn. All die gemeinsamen Jahre im Kommissariat – nichts schien mehr zu zählen. ‹Für den bin ich nur noch ein Verdächtiger›, dachte Steenhoff bitter. Doch viel mehr zählte, was Ira glaubte. Wenn sie nun auch Zweifel zeigte … Er atmete schwer aus.
Steenhoff bog auf seinen Hof ein und sah sofort Frehls’ Wagen in der Einfahrt stehen. Er unterdrückte einen Wutanfall und zwang sich, ruhig ins Haus zu gehen und die Tür zum Wohnzimmer zu öffnen. Hatten sie jetzt etwa schon einen Durchsuchungsbeschluss in der Tasche?
Ira saß kerzengerade auf der Kante des Ecksofas, als er das Zimmer betrat. Seine beiden Kollegen sahen ihn prüfend an. Wie im Zeitraffer ging er auf Ira zu, die hölzern aufgestanden war und sich langsam zu ihm umdrehte. Er schloss sie in die Arme und stellte erleichtert fest, dass sie ihn ebenfalls umfasste. Aber behielt sie nicht einen feinen, von außen kaum zu bemerkenden Abstand? Als er in Iras Gesicht sah, lächelte sie ihn an. «Gut, dass du da bist, Frank.»
Ira strich ihm sanft über den Arm und berührte mit den Fingerkuppen seine linke Wange. Zärtlich, liebevoll. Unendlich vertraut.
Nichts stimmte an ihrer Gestik. Er wusste im selben Moment, dass er Ira verloren hatte. Der junge Kollege wirkte verlegen und betrachtete den Teppich zu seinen Füßen. Aber Frehls musterte die Eheleute scharf, während er sich aus dem Sessel erhob und sich bei Ira für den Kaffee bedankte. Kühl wandte er sich an Steenhoff. «Lass bitte dein Handy eingeschaltet, Frank. Wir werden in den nächsten Tagen bestimmt noch einige Fragen an dich haben.»
Steenhoff nickte. Dann begleitete Ira die Männer zur Tür. Als sie in den Raum zurückkam, blieb sie zwei Meter von Steenhoff entfernt stehen.
Jetzt. Jetzt kam es darauf an. Er wusste, wenn überhaupt, dann hatte er jetzt noch eine winzige Chance, sie zurückzugewinnen. Aber er schwieg.
Steenhoff sah sie beide, wie sie sich nach 20 Ehejahren in ihrem eigenen Wohnzimmer gegenüberstanden. Fremd. Er unendlich enttäuscht, sie misstrauisch. Die Kehle schnürte sich ihm zu.
Er würgte mehr, als dass er sprach. «Ich war es nicht.» Ira kniff die Augen zu einem schmalen Spalt zusammen. Dann drehte sie sich um und ging auf die Anrichte zu. Sie zog die oberste Schublade heraus und holte zwischen ordentlich zusammengelegter Tischwäsche einen großen braunen Briefumschlag hervor.
«Und was ist das?»
Ihre Stimme bebte. Sie hielt ihm den Umschlag hin. «Der war heute Morgen in der Post.»
Zögernd öffnete Steenhoff den Brief und holte drei Fotos heraus. Das erste Bild
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