Brandfährte (German Edition)
zu dem gestrigen Gespräch möglicherweise vernehmen?», erkundigte sich Diepenau vorsichtig.
Andrea Voss überlegte nicht lange. «Klar.»
«Gut, ich werde Ihren Hinweis sofort weitergeben und mich dann mit Frank Steenhoff in Verbindung setzen. Der kriegt ansonsten einen Schock, wenn er in die Zeitung guckt.»
«Er weiß Bescheid. Ich habe ihn bereits gestern Abend angerufen und ihn vorgewarnt. War ja klar, dass sich der Typ nicht nur bei mir melden würde.»
«Sie haben seine private Nummer?», fragte Diepenau erstaunt.
«Ja».
Diepenau schalt sich einen Idioten. Seit der Sache mit dem Serienmörder Hans Bilg verband Frank Steenhoff mit Andrea Voss ein enges Verhältnis. Das war im Präsidium bekannt. Was die Reporterin allerdings nicht daran hinderte, Steenhoff mit ihren Artikeln manches Mal in die Quere zu kommen.
Eine Frage brannte ihm noch unter den Nägeln: «Warum haben Sie eigentlich nichts veröffentlicht?»
Er merkte sofort, dass er Andrea Voss an einer schwachen Stelle ertappt hatte.
Sie begann, Diepenau etwas vom «journalistischen Ethos», der Furcht vor dem Presserat und der Verantwortung einer bürgerlichen Tageszeitung zu erzählen. Aber mitten im Satz brach sie schließlich ab und seufzte. «Tatsächlich kann ich mir Frank Steenhoff einfach nicht als Mörder vorstellen. Das heißt, wenn jemand seiner Tochter oder Ira etwas antun würde …» Sie ließ den Satz unbeendet.
«Aber doch nicht in dieser Konstellation, aus gekränkter Eitelkeit oder unbefriedigter Lust.»
Sie zögerte einen Moment. «Und wie ist es mit Ihnen, auf welcher Seite stehen Sie?»
«Stehen Sie auf einer Seite?», konterte Diepenau mit einer Gegenfrage.
«Ich fürchte, ja», erwiderte sie freimütig. «Ich musste mich schon heute Morgen in der Konferenz dafür rechtfertigen, dass ich nichts von der Polizei über den Verdacht gegen Frank Steenhoff erfahren hatte. Wenn die gewusst hätten, was ich beinahe für Material in den Händen hatte … Aber ich glaube Steenhoff, auch wenn im Moment vieles gegen ihn spricht.»
«Ich hoffe, Sie haben recht.»
«Und Sie?» Andrea Voss ließ nicht locker.
Diepenau schluckte. Er mochte seinen Kollegen und schätzte ihn als hartnäckigen, gewieften Ermittler. Aber da gab es das Foto, die Gartenaktion, obwohl er beruflich völlig ausgelastet war, und schließlich seine DNA -Spuren am Drohbrief. Diepenau war nicht nur Pressesprecher, sondern auch Kriminalist. Es sah nicht gut aus für Frank Steenhoff.
«Wie gesagt, ich hoffe, Sie haben recht.»
Andrea Voss hatte seine Antwort sofort richtig interpretiert. «Wenn es hart auf hart kommt, kennt die Polizei keine Freunde und Kollegen», sagte sie. Ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
«Wenn es anders wäre, würden Sie es mir am nächsten Morgen in Ihrer Zeitung zu Recht vorwerfen», gab Diepenau gereizt zurück.
«Aber kann man nicht auch erwarten, dass Sie sich nicht nur die Sachbeweise, sondern auch die Gesamtpersönlichkeit des Tatverdächtigen anschauen?»
«Sie vergessen, dass Steenhoff nicht in U-Haft sitzt, sondern zurzeit lediglich vom Dienst freigestellt ist.»
Verstimmt verabschiedete sich Diepenau von der Reporterin. Es stimmte: Die Bremer Kripo konnte manchmal ein Haifischbecken sein. Und Diepenau wusste diesmal nicht, ob er gerade mitschwamm oder nur am Beckenrand stand.
Die
Zack
lag ausgebreitet auf dem Küchentisch. Er konnte sich nicht sattsehen an den Bildern. Auch die Überschrift und der Text waren ganz nach seinem Geschmack. Wie erwartet hatten die Reporter des Boulevardblattes sofort auf sein Material und die Hinweise reagiert. Manches, was er gelesen hatte, war neu für ihn. Die Journalisten hatten sich für ihn als nützliche Helfer herausgestellt. Ganz offensichtlich verfügten sie über einen guten Draht zur Polizei. Er hatte sie nur auf die Fährte setzen müssen. Nachdem sie die Witterung aufgenommen hatten und eine einmalige Geschichte rochen, ging alles ganz schnell. Er konnte sein Glück noch immer nicht fassen. Manchmal brauchte man nur den Stein ins Rollen zu bringen. Das Leben erledigte den Rest. Es war so bestimmt. Daran hatte er keinen Zweifel. FS war am Ende. Beruflich wie privat.
Besorgt beobachtete Steenhoff Ira. Andrea Voss hatte sie am Abend mit ihrem Anruf bereits auf eine mögliche Veröffentlichung in einer der anderen Zeitungen vorbereitet. Doch trotz seiner jahrelangen Erfahrung mit Medien und der Berichterstattung in Boulevardblättern traf ihn die Art der Aufmachung. Unter dem
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