Brandfährte (German Edition)
fest umklammert hielt. Sie wollte ihn fragen, warum er den Kerzenleuchter mit ins Bett genommen hatte, aber sie bekam keinen Laut heraus. Da ging die Tür zum Schlafzimmer auf, und Vanessa stürzte ins Zimmer. Sie riss ihre Freundin in Panik von Steenhoff weg und schrie wie eine Wahnsinnige auf ihn ein. Steenhoff hielt den schweren Kerzenleuchter noch immer in der Hand und schaute Vanessa verblüfft an.
«Navideh!» Vanessas Stimme drang nur langsam zu ihr durch. «Navideh. Wach auf. Du hast im Traum geschrien.» Vanessa saß besorgt auf dem Rand ihres Bettes und hatte eine Hand auf ihren Arm gelegt.
Petersen fuhr sich schlaftrunken durch die langen schwarzen Haare. Sie richtete sich benommen auf und gab, ohne nachzudenken, Vanessa einen zärtlichen Kuss. Erst als sich ihre Lippen berührten, erinnerte sich Petersen an ihre letzte Auseinandersetzung. Verlegen zuckte sie zurück. Vanessa, die für einen kurzen Moment die Augen geschlossen hatte, sah sie irritiert an. Dann stand sie auf und ging wortlos aus dem Zimmer. Erschöpft ließ sich Petersen auf ihr Kissen zurückfallen.
22
Die folgenden Tage würde Petersen nie vergessen. Vanessa hatte am Morgen ohne einen Gruß das Haus verlassen. Am Abend lag ein Zettel auf dem Küchentisch, auf dem sie mitteilte, dass sie für ein paar Tage zu ihren Eltern fahren werde. Petersen glaubte ihr kein Wort. Aber sie war zu stolz, um ihr hinterherzutelefonieren. Und was würde das auch ändern? Der Bruch zwischen ihnen ging zu tief. Auf dem Weg ins Präsidium hatte sie erneut über Vanessas Frage nachdenken müssen.
«Was macht dich so sicher?»
Die Skepsis ihrer Freundin war berechtigt. Als Polizistin hatte sie schon in viele Abgründe schauen müssen: Liebevolle Familienväter, die angesichts eines zermürbenden Sorgerechtsstreits ihre Kinder eines Morgens als Geiseln nahmen, der Handwerker, der nach einer unverschuldeten Insolvenz zum Säufer wurde und seine Frau im Rausch halbtot schlug, oder all die teuflischen Spielarten der Eifersucht, der unerwiderten Leidenschaft. Sie hatte ihren älteren Kollegen zugestimmt, wenn diese davon sprachen, dass jeder Mensch zum Mörder werden könnte. Wie leicht sich das sagen ließ! Doch plötzlich konnte diese Aussage als mögliche Erklärung für die rätselhafte Verstrickung ihres engsten Kollegen in ein Verbrechen dienen. Sie meinte, in den Telefonaten mit Rüttger herauszuhören, dass auch er mit Zweifeln kämpfte, wagte aber nicht, ihn anzusprechen.
Was, wenn sie sich in Steenhoff täuschte? Oder er tatsächlich für seine Mieterin entflammt war, die seine Hilfsbereitschaft schamlos ausgenutzt und ihn dann brüskiert hatte?
Lächerlich! Dieser Brief, die vulgäre Sprache, diese rohe, brutale Gewalt! Das war er nicht. Nicht Steenhoff.
Sie hoffte inständig, dass sich die Geschichte mit der DNA -Spur bald aufklären würde.
Als Lars Diepenau am frühen Morgen in der Pressestelle des Präsidiums die Boulevardzeitung
Zack
aufschlug, fühlte er sich einen Moment lang wie gelähmt.
«Kommissar unter Mordverdacht / Langjähriger Ermittler Frank S. vom Dienst suspendiert / Bonus für den Kollegen?»
Hastig überflog er die Zeilen. Nachdem er den reißerisch aufgemachten Artikel zu Ende gelesen hatte, war ihm klar, dass Steenhoffs Laufbahn bei der Polizei zu Ende war. Fluchend schlug er mit der flachen Hand auf die Zeitung, sodass sie an einer Stelle einriss. Die Bilder waren groß aufgemacht. Eines zeigte Steenhoff, wie er Martina Benke küsste und seine Hand zärtlich auf ihrem Rücken lag. Auf dem zweiten hatten die
Zack-
Reporter Steenhoff, wie sie es zynisch nannten, vor seinem Bauernhaus «abgeschossen». Er war gerade dabei, in den Wagen zu steigen und schien überrascht. Notdürftig hatte die Redaktion Steenhoff einen Balken über die Augen gelegt und damit den presserechtlichen Anforderungen Genüge getan.
Darunter, etwas kleiner, war das Doppelhaus in Hastedt abgebildet. Eine ältere, ängstlich aussehende Frau stand am Zaun und schien sich dem Haus, in dem Martina Benke überfallen wurde, nicht weiter nähern zu wollen. Sie hatte den typischen Dass-so-etwas-in unserer-Straße-passieren-kann-Blick.
Lars Diepenau überflog die Zeilen erneut. Die
Zack
-Redakteure hatten gute Quellen in der Kripo. Seit Längerem rätselte die Polizeipressestelle schon, wer von den Beamten es immer wieder riskierte und dem Boulevardblatt Informationen zukommen ließ. Der Autor des Artikels berichtete von Steenhoffs Garteneinsatz bei Martina
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