Brandherd
Bremsen, und wir stiegen ein. Der Nachmittag war windstill, und die Flaggen hingen schlaff über Dächern und Rasenflächen, und irgendwo heulte unaufhörlich die Alarmanlage eines Autos. Wir mussten durch das Viertel der George Washington University fahren, am Ritz und an Blackie's Steakhouse vorbei, um in Lucys und Janets Gegend zu gelangen.
Es war eine Künstlergegend mit überwiegen d homosexuellen Bewohnern, mit dunklen Bars wie The Fireplace und Mr. P's, die ständig überlaufen waren von gut gebauten, gepiercten Männern. Ich wusste das, weil ich in der Vergangenheit viele Male hier gewesen war, um meine Nichte zu besuchen, und mir fiel auf, dass der lesbische Buchladen weggezogen war. Und nicht sehr weit weg vom Burger King hatte offenbar ein neuer Bioladen aufgemacht.
»Sie können uns hier rauslassen«, sagte ich zu dem Taxifahrer. Wieder trat er voll auf die Bremse und zog den Wagen ruckartig an den Bordstein.
»Scheiße«, sagte Marino, als das blaue Taxi davonpreschte.
»Glauben Sie, dass es in dieser Stadt überhaupt noch irgendwelche Amerikaner gibt?«
»Wenn die Nicht-Amerikaner in Städten wie diesen nicht wären, dann wären Sie und ich nicht hier«, erinnerte ich ihn.
»Italiener sind was anderes.«
»Ach wirklich? Anders als was?«, fragte ich, während wir das D.C. Cafe im Block 2000 der P Street betraten.
»Anders als die hier«, sagte er. »Allein deshalb, weil unsere Landsleute, nachdem sie auf Ellis Island gelandet waren, Englisch gelernt haben. Und außerdem fahren sie keine Taxis, ohne zu wissen, wo zum Teufel sie hinfahren. He, dies Lokal sieht aber klasse aus.«
Das Cafe war rund um die Uhr geöffnet, und der Duft von gebratenen Zwiebeln und gebratenem Rindfleisch hing in der Luft. An den Wänden hingen Poster von Gyros, grünem Tee und libanesischem Bier, und ein gerahmter Zeitungsartikel verkündete stolz, dass die Rolling Stones hier einmal gegessen hätten. Eine Frau wischte langsam den Boden auf, als handelte es sich u m die Mission ihres Lebens. Sie schenkte uns keine Beachtung.
»Machen Sie sich's gemütlich«, sagte ich. »Das dürfte keine Minute dauern.«
Er suchte sich einen Tisch, wo er rauchen konnte, während ich zum Tresen ging und die gelbe Speisekarte über dem Grill studierte.
»Ja bitte«, sagte der Koch, während er zischende Hacksteaks flachdrückte und bräunende Zwiebelringe umwendete und zerkleinerte.
»Einen griechischen Salat«, sagte ich, »und ein Hühnergyros im Pitateig, und ... warten Sie mal.« Ich ließ den Blick schweifen.
»Ich glaube, ein Kefte Kabob Sandwich. So heißt das bei Ihnen doch?«
»Zum Mitnehmen?«
»Ja.«
»Ich rufe Sie«, sagte er. Die Frau wischte immer noch den Boden auf.
Ich setzte mich zu Marino. Es gab einen Fernseher, und unter gewaltigem Geknister und Geflimmer lief gerade eine Folge von Star Trek.
»Es wird nicht mehr dasselbe sein, wenn sie in Philly ist«, sagte er.
»Nein.«
Ich starrte benommen auf die zerlaufene Gestalt Captain Kirks, der gerade seinen Phaser auf einen Klingonen gerichtet hielt, oder so was Ähnliches.
»Ich weiß nicht«, sagte er, stützte das Kinn auf die Hand und stieß den Rauch aus. »Irgendwie finde ich das einfach nicht gerecht. Sie hatte sich das schließlich alles selbst ausgedacht und hart dafür gearbeitet, so weit zu kommen.
Ich geb nichts darauf, was sie über ihre Versetzung sagt. Ich glaube nicht, dass sie da hin will. Sie glaubt einfach nur, keine Wahl zu haben.«
»Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie die hat, wenn sie auf dem Weg bleiben will, den sie gewählt hat.«
»Zum Teufel, ich glaube, dass man immer eine Wahl hat. Sehen Sie hier irgendwo einen Aschenbecher?«
Ich entdeckte einen auf dem Tresen und holte ihn.
»Jetzt mache ich mich auch noch zur Komplizin«, sagte ich.
»Sie nörgeln doch bloß an mir rum, damit Sie was zu tun haben.«
»Tatsächlich lege ich Wert darauf, dass Sie's noch 'ne Weile machen, wenn's recht ist«, sagte ich. »Ich habe den Eindruck, dass ich die Hälfte meiner Zeit damit verbringe, zu versuchen, Sie am Leben zu halten.«
»Das kann man wohl Ironie nennen, wenn man bedenkt, womit Sie Ihre übrige Zeit verbringen, Doc.«
»Ihre Bestellung!«, rief der Koch.
»Wie wär's, wenn Sie mir ein paar von den Baklava-Dingern mitbrächten - die mit den Pistazien.«
»Nein«, sagte ich.
9
Lucy und Janet wohnten in einem zehnstöckigen Mietshaus namens The Westpark, das sich in Block 2000 der P Street, ein paar Minuten von hier zu
Weitere Kostenlose Bücher