Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
zum Schweigen zu bringen, aber sie war verschwunden. Als ich ihr von Cerise erzählte, traf sie sich irgendwo mit ihm, und aus dem, was er sagte, erriet sie, daß er Cerise umgebracht hatte. Elena lief weg, um sich in Sicherheit zu bringen. Seine ganze Geschichte über den Freierfang war also frei erfunden. Bobby hatte ihn nie gebeten, Elena zu suchen. Deshalb hatte Furey ein solches Theater gemacht, um mich daran zu hindern, daß ich Bobby anrief.
Meine Beine waren Watte. Wenn ich nur einen Schritt tun wollte, knickten sie wieder ein. Ich mußte mich schnell mit den Streeter Brothers in Verbindung setzen – ich durfte Elena nicht frei herumlaufen lassen, damit Furey sie finden und nach Belieben aus dem Weg räumen konnte.
Ich zwang mich, zum Telefon zu wanken. Als ich die Nummer der Brothers wählte, meldete sich der Anrufbeantworter. Ich hinterließ eine Nachricht, versuchte, dringlich, aber nicht hysterisch zu klingen, und gab Lottys Nummer an.
Als ich aufgelegt hatte, versuchte ich es noch einmal bei Murray; er war noch immer unterwegs. Ich schaute auf die Straße hinunter. Der Mann mit dem Hund war verschwunden. Ein paar andere Leute schlenderten das Straßenstück entlang, kamen von ihren Überstunden nach Hause oder gingen zum Essen. Ich glaubte nicht, daß Ralph MacDonald einen von ihnen geschickt hatte mit dem Auftrag, mich sofort zu erdrosseln. Aber ich wartete hinter dem Rollo, bis ich sah, wie Lottys neuer Camry mit quietschenden Reifen vor dem Haus hielt.
Ehe ich hinunterging, rief ich Mr. Contreras an und sagte ihm, es sei nicht nötig, daß er Wache halte.
Er war eine Spur sauer, daß ich bei Lotty übernachten wollte und nicht bei ihm. »Und außerdem, daß Sie nicht zu Hause sind, heißt noch lange nicht, daß nicht jemand versucht, sich einzuschleichen und Ihnen eins über den Kopf zu geben, wenn Sie zurückkommen. Die Prinzessin und ich, wir passen trotzdem auf.«
Daß ich ihn anrief, um ihm zu sagen, was ich vorhatte, war das äußerste, was ich mir an menschlichen Impulsen abringen konnte – ich brachte es nicht über mich, ihm höflich dafür zu danken, wenn er mir ein überflüssiges Opfer brachte. Es stimmt, letzten Winter hat er mir das Leben gerettet, aber das macht mich auch nicht erpichter darauf, ihn in meine Arbeit einzubeziehen. Ich trottete hinunter, winkte dem Hund und Mr. Contreras flüchtig zu, als sie die Köpfe aus der Tür streckten, und stieg schnell ins Auto. Ich hasse es, Angst zu haben – das bringt mich zum Laufen, wenn ich viel lieber gehen möchte.
»Jetzt hast du also mit deiner rücksichtslosen Fahrerei den Chevy ruiniert?« sagte Lotty zur Begrüßung.
Ich machte den Mund auf, um scharf zu protestieren, und schloß ihn wieder, als Lotty verwegen vor einem Lieferwagen der
Sun-Times
wendete. Der Fahrer bremste so heftig ab, daß ein Bündel Zeitungen auf das Trottoir flog. Lotty ignorierte sein wütendes Gehupe und Gefluche in einer majestätischen Haltung, die ihrer Vorfahren würdig war – sie hatte mir einmal erzählt, sie seien Berater der Habsburger gewesen.
Lotty fährt, als führe sie eine Ambulanz im bombardierten London – sie sieht auf den Straßen lauter feindliche Fahrzeuge, denen sie entweder ausweicht oder die sie unbedingt überholen muß, um vor ihnen am Ziel zu sein. Sie besteht auf einem herkömmlichen Getriebe, weil sie damit aufgewachsen ist, aber sie malträtiert es so unbarmherzig, daß wir nun in ihrem dritten Neuwagen in acht Jahren unterwegs waren. Wie alle schlechten Fahrer glaubt sie, sie sei der einzige Mensch, der das Recht hat, auf der Straße zu sein. Als wir die drei Kilometer zu ihrer Wohnung hinter uns hatten, wäre ich fast lieber zu Hause geblieben und hätte abgewartet, was MacDonald mit mir vorhatte.
Als wir hielten, stieß der Camry einen leisen Schluckser aus – er war so klug, sich nicht lautstark bei Lotty zu beschweren. Ich folgte ihr demütig ins Haus, hinauf in den ersten Stock, wo mich die leuchtenden Farben immer wieder umhauen, wenn ich eine Zeitlang nicht dort war. Lotty trägt strenge Maßkleidung – dunkle Röcke, gestärkte weiße Blusen oder schlichte schwarze Stricksachen. Nur in ihrer Wohnung zeigt sich ihre starke Persönlichkeit in tiefen Rot- und Orangetönen.
Obwohl ich schon öfter bei ihr übernachtet habe, behandelt mich Lotty wie einen richtigen Gast, nimmt mir das Gepäck ab, bietet mir aus ihrem beschränkten Alkoholvorrat etwas zu trinken an. Sie selbst rührt so gut wie nie Alkohol an und
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