Brandung des Herzens
Feuer an«, schlug er vor. »Es ist verflucht lange her, seit ich ein gutes Brötchen gegessen habe. Selbst als Kind konntest du schon die besten Brötchen weit und breit backen.«
Willow blickte auf. »Bist du sicher?«
»Verdammt sicher. Ich weiß noch, wie ich von der Arbeit auf den Feldern zum Abendessen nach Hause gegangen bin und meine Nase schnuppernd in den Wind gereckt habe wie einer von Papas Jagdhunden. Wenn ich Brötchen roch, bin ich in die Küche geflitzt und habe einen Hutvoll davon versteckt, bevor Rafe hereinkam. Ich konnte nie soviel auf einmal essen wie er.«
Willow lachte bei der Erinnerung. Dann verblaßte ihr Lachen, als sie sich an andere Male erinnerte, die unwiderruflich vorbei waren, und an die Menschen, die ebenso unwiderruflich der Vergangenheit angehörten. »Ich meinte, ob du sicher wegen des Feuers bist. Ist es nicht zu riskant?«
»Heute abend nicht. Und morgen abend?« Reno zuckte die Achseln. »Mach am besten gleich einen ganzen Berg Brötchen, Willy. Es könnte eine Weile dauern, bevor wir wieder ein Feuer haben.«
»In Ordnung.«
Schweigend schauten Caleb und Reno Willow bei der Arbeit zu. Das Essen war bald fertig, und beide Männer aßen schnell und mit großem Appetit, bis kein Krümel mehr übrig war.
Später, als Reno anfing, Willow nach Familienangelegenheiten auszufragen, stand Caleb auf, um eine Schlafstelle herzurichten. Die gedämpften Stimmen von Bruder und Schwester folgten ihm in die Dunkelheit, leises Lachen und gemurmelte Worte, Erinnerungen an eine Zeit, die niemals wiederkehren würde.
Das Bewußtsein, wie innig Willow ihren attraktiven, grünäugigen Bruder liebte, war wie ein eisiger Hauch, der Caleb innerlich frösteln ließ und seine Hoffnung zunichte machte, daß sie verstehen würde, was er zu tun gezwungen war. Willow hatte niemals die unbekümmerte Seite an Reno gesehen, die Gedankenlosigkeit, die ihn dazu verleitete, sich das Leben auf Kosten Schwächerer bequem zu machen. Auch Wolfe hatte diesen Teil von Renos Persönlichkeit nicht gesehen. Nur Rebecca - und sie hatte das bittere Wissen mit ihrem Leben und dem ihrer neugeborenen Tochter bezahlt.
Grimmig schnitt Caleb Eibenzweige und stapelte sie übereinander, machte eine Matratze hinter einer Ansammlung von kleinen Tannen, die Schutz vor dem Wind boten. Irgendwann wurde er sich der Stille der Nacht bewußt; die murmelnden Stimmen waren verstummt, nur der Wind und das Rauschen des kleinen Bachs waren noch zu hören. Gleich darauf spürte er, wie sich Reno fast geräuschlos auf ihn zubewegte.
Caleb fuhr mit der schnellen, tödlichen Lautlosigkeit einer angreifenden Schlange herum. Reno stand im Mondlicht am Rande der kleinen Wiese und betrachtete das Bett, das Caleb gemacht hatte.
»Wo schläfst du?« erkundigte sich Reno kalt.
»Hier.«
»Du siehst nicht aus wie ein Mann, der eine Matratze braucht.«
»Willow mag es so. Unter all der Entschlossenheit ist sie ein sanftes, empfindliches kleines Ding.«
Selbst der Mondschein vermochte die harten Linien der Wut in Renos Gesicht nicht zu mildern. »Fordere mich nicht heraus, du Hurensohn!«
Calebs Lächeln blitzte bedrohlich. »Wenn es dich stört, dann geh mir gefälligst aus dem Weg.« Er glitt näher, sein Gang war lautlos, erinnerte an ein Raubtier. »Ich hatte gehofft, Willow wäre schon eingeschlafen, bevor wir unsere Unterhaltung hätten, aber dann soll es eben so sein.«
»Ich sollte dich töten.«
»Versuch es nur«, erwiderte Caleb ruhig.
Seine Stimme kochte vor kaum unterdrücktem Zorn. Der Gedanke, daß ein übler, hinterhältiger Verführer wie Reno sich um die Tugend seiner kleinen Schwester sorgte, machte Caleb wütend. Aber er konnte nichts sagen, denn Reno reagierte nur genauso, wie Caleb reagiert hatte, als die Tugend seiner Schwester zur Debatte stand.
Wie auch immer, Caleb hatte sich indirekt gerächt, indem er Renos unschuldige kleine Schwester verführte.
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben.
Die Vorstellung tröstete Caleb nicht.
Reno beobachtete Caleb mit Augen, die wie Silber im kalten Mondlicht schimmerten. »Ein Schuß wird Slater wie ein Unwetter über uns hereinbrechen lassen«, knurrte er.
»Das ist der Grund, weshalb du noch am Leben bist. Ich will Willow nicht wegen einer Ratte wie dir in Gefahr bringen.«
Der unverblümte Haß in Calebs Stimme schockierte Reno. Er verwirrte ihn auch.
»Ich weiß, warum ich dich am liebsten töten würde«, sagte Reno langsam. »Aber ich weiß beim besten Willen
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