Brandung des Herzens
kälterem Wasser aus dem Bach bestehen. Ihm selbst hätte das nichts ausgemacht, er konnte unbegrenzt lange auf diese Weise überleben - er hatte es oft genug in der Vergangenheit getan -, er bezweifelte jedoch, daß Willow auch nur zwei Tage durchhalten würde. Sie war so übermüdet, daß ihre Haut durchscheinend aussah.
Abrupt hob Caleb Willow aus dem Sattel. Als ihre Füße den Boden berührten, fühlte er, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Er fing Willow in seinen Armen auf und hielt sie fest, sog den schwachen Duft von Lavendel und Regen ein, der sie wie ein unsichtbarer Schleier einhüllte. In seiner Erinnerung schmeckte er wieder das Aroma von Pfefferminz, eine Frische, die ihn gleichzeitig verblüfft und erregt hatte, als ihm aufgegangen war, daß sie von Willows Lippen stammte, die unmittelbar vor seinen den Rand der Feldflasche berührt hatten.
»Können Sie noch nicht mal aufrecht stehen?« fragte er fast barsch.
Der brüske Klang seiner Stimme traf Willow wie ein Peitschenhieb, und sie straffte energisch die Schultern. Sie stieß Caleb von sich fort und machte sich dann mit ungeschickten Fingern an Ishmaels Sattelgurt zu schaffen.
»Gehen Sie Anzündholz sammeln, Südstaatenlady«, sagte er, ihre Hände beiseite schiebend. »Ich kümmere mich um Ihren Hengst.«
Südstaatenlady. Der Spitzname war wie ein Schlag ins Gesicht. Einen Moment lang hatte Willow nicht übel Lust, zurückzuschlagen, aber es fehlte ihr die Energie. Auf jeden Fall war Caleb im Moment besser in der Lage, ihrem Pferd die nötige Pflege zukommen zu lassen, als sie selbst, und Ishmaels Wohl war wichtiger als ihr Stolz.
Schweigend wandte Willow sich von Caleb ab. Sie strebte zu dem dichtesten Gebüsch, das sie finden konnte, drängte sich zwischen den Sträuchern hindurch und ging weiter, bis sie sich mit einem Blick über ihre Schulter vergewisserte, daß eine undurchdringliche Mauer von Laubwerk genügend Sichtschutz bot. Erst dann begann sie, den komplizierten Verschluß ihres langen Reitrocks zu lösen. Sie streifte nassen Wollstoff und verfilzte Unterröcke an ihren Beinen herab, während sie innerlich flehte, daß Caleb Gentleman genug war, um ihr nicht zu folgen.
Als sie fertig war, zitterte sie vor Kälte. Und dennoch war es schmerzhaft und unangenehm, den schweren Hosenrock wieder über Beine hinaufzuziehen, die vom ständigen Reiben gegen feuchtes Tuch wundgescheuert waren. Dann machte Willow sich daran, trockene Zweige und kleine, abgestorbene Äste zu sammeln - mit kurzen, breitbeinigen Schritten, um die empfindliche Haut an der Innenseite ihrer Schenkel zu schonen. Währenddessen fühlte sie, wie ihr Körper sich langsam erwärmte und etwas von seiner Steifheit verlor.
Bis sie einen kleinen Stapel Holz aufgesammelt hatte und wieder aus dem Dickicht hervorgekommen war, hatte Caleb sämtliche Pferde an Pflöcken angebunden. Er saß in der Hocke unter den überhängenden Zweigen eines Busches und schabte trockene Holzspäne aus der inneren Rinde einer kleinen Pyramidenpappel. Sein unglaublich scharfes Jagdmesser war so lang wie sein Unterarm. Die Klinge blitzte und glänzte wie Wasser im matten Licht des Morgengrauens.
Willow ließ ihr Bündel Zweige neben Caleb auf den Boden fallen und wandte sich ab. Mit einem kaum unterdrückten Aufstöhnen kniete sie sich neben einen der Packsättel. Wenige Minuten später hatte sie alles gefunden, was sie zur Zubereitung von gebratenem Speck und Brötchen brauchte.
Als sie aufblickte, hatte Caleb gerade einen Dreifuß aus Ästen errichtet und einen kleinen Kaffeetopf daran aufgehängt. Unter dem Topf brannte ein Feuer, so winzig, daß er es mit seinem Hut hätte bedecken können. Der wenige Rauch, den die Flammen produzierten, stieg senkrecht auf und wurde von der dichten Wand der Weidenbüsche zerstreut. Falls nicht gerade jemand ganz in der Nähe vorbeiritt - und in Windrichtung -, würde niemand vermuten, daß Menschen in einer der vielen tiefen Bodenfurchen kampierten, die das Land durchzogen.
Die Abgeschiedenheit des Lagers vermittelte Willow ein Gefühl der Beruhigung und verunsicherte sie gleichzeitig. Calebs Sorgfalt sagte deutlicher als alle Worte, daß er mit Verfolgern rechnete. Selbst wenn er keine Banditen befürchtet hätte, so schien er offensichtlich der Ansicht, daß jeder, der ihnen in dem wilden Land begegnete, mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit ein Feind wie ein Freund sein konnte.
Seine Wachsamkeit und Vorsicht spiegelten sich auch in seinem Ausdruck
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