Brandung des Herzens
wider. Das kleine Feuer beleuchtete sein Gesicht von unten und ließ schwarze Schatten über seine harten Züge flackern; der Schein der Flammen wurde in seinen Augen reflektiert und verlieh ihnen einen wilden Glanz, und sein Mund sah aus, als hätte er das Lächeln gänzlich verlernt. Caleb hatte ganz und gar nichts Tröstliches an sich für eine junge
Frau, die zu müde war, um ihre Augen offenzuhalten, und so durchgefroren, daß sie bei jedem Atemzug fröstelte.
Ich habe schon Schlimmeres ausgestanden, erinnerte Willow sich im stillen. Außerdem habe ich Caleb nicht zum Trost eingestellt. Ich habe ihn angeheuert, damit er mich zu Matt bringt. Und in dieser Hinsicht gibt es nichts, worüber ich mich beklagen könnte. Wir müssen letzte Nacht mindestens vierzig Kilometer zurückgelegt haben. Je eher man anfängt, desto eher ist man fertig, wie Papa immer zu sagen pflegte.
Willow rührte Mehl in der gußeisernen Bratpfanne an, bis der Teig die richtige Konsistenz hatte, um sich von der schwarzen Oberfläche der Pfanne zu lösen. Dann richtete sie sich mit steifen Gliedern auf und trug Speck, Brotteig und Pfanne zu dem winzigen Feuer hinüber.
»Darf ich Ihr Messer benutzen?« fragte sie.
Caleb blickte scharf auf. Willows Stimme klang heiser, entweder von der klammen Kälte der endlosen Nacht oder weil sie lange Zeit nicht gesprochen hatte.
»Die Speckseite«, erklärte sie, weil sie die plötzliche Intensität seines Blickes nicht verstand.
»Setzen Sie sich«, erwiderte Caleb rauh und nahm ihr die Pfanne aus der Hand. »Ich kümmere mich um das Frühstück.«
Dankbar sank Willow auf den Boden und streckte sich aus. Es kümmerte sie wenig, daß die Erde unter ihr kalt und feucht war. Das einzige, was zählte, war, daß der Untergrund sich gnädigerweise nicht bewegte und ihr Gewicht ohne jegliche Anstrengung ihrerseits trug.
Zwei Atemzüge später, und Willow war fest eingeschlafen.
Als Caleb vom Speckschneiden aufschaute, dachte er, Willow wäre ohnmächtig geworden. Hastig sprang er auf die Füße und kniete sich dann neben sie. Die Haut ihrer Kehle fühlte sich kalt unter seinen Fingerspitzen an, aber ihr Puls schlug kräftig und regelmäßig, ihr Atem ging ruhig. Caleb schüttelte den Kopf, hin- und hergerissen zwischen Verwirrung und widerwilliger Bewunderung für ihre Zähigkeit.
»Liebchen oder nicht - aufgeben tust du jedenfalls nicht so schnell«, murmelte er vor sich hin.
Er beschäftigte sich wieder damit, Speckscheiben in die Pfanne zu schneiden, wobei er von Zeit zu Zeit einen prüfenden Blick auf Willow warf. Sobald das Kaffeewasser kochte, fügte er gemahlenen Kaffee hinzu und hängte den Topf wieder über das Feuer. Als der Kaffee fertig war, briet er den Speck, legte ihn auf ein Stück Baumrinde und tat den Brötchenteig in die Pfanne.
Während der Teig garte, begann Caleb systematisch, Weidenstöcke vom Umfang seines Daumens von dem Gehölz abzuschneiden. Er schälte die Rinde ab, goß den Kaffee in seine Feldflasche, füllte den Kaffeetopf erneut und hängte ihn über das Feuer, bis das Wasser kochte. Dann fügte er eine Handvoll geraspelter Weidenrinde hinzu und stellte den Topf beiseite.
»Wachen Sie auf, Willow.«
Calebs Stimme klang gedämpft, aber deutlich. Willow reagierte nicht. Er beugte sich über sie und rüttelte sie sanft an der Schulter. Immer noch keine Reaktion. Der Stoff ihres Reitkostüms fühlte sich kalt und feucht unter seiner Hand an. Er blickte zum Himmel hinauf und überlegte, ob sie genügend Zeit hätten, Willows Rock über dem Feuer zu trocknen. Er brauchte nur eine Sekunde, um zu entscheiden, daß er das Risiko nicht eingehen konnte.
Die Sonne war bereits aufgegangen, was bedeutete, daß inzwischen noch mehr Leute auf den Beinen wären und den Weg entlang der Bergkette benutzen würden. Es gab keine Siedlungen in dieser Gegend. Jedes Anzeichen von Rauch wäre wie ein Hinweisschild auf ihren Lagerplatz. Willow würde wohl oder übel in nassen Kleidern schlafen müssen.
Caleb löschte das Feuer, bevor er sich erneut zu ihr umdrehte.
»Wachen Sie auf, Honey«, sagte er und schüttelte sie diesmal etwas weniger sanft.
Langsam schlug Willow die Augen auf, aber sie war nicht wirklich wach. Groß und verschleiert, waren ihre Augen mit Gold und Grün, Silber und Blau gesprenkelt. Ihre Wimpern bildeten dichte, dunkle, seidige Kränze, die die haselnußbraune Schönheit ihrer Iris noch betonten. Gegen den pastellfarbenen Schimmer des Morgenhimmels konnte sie nur
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