Brandung des Herzens
langen Arm aus und griff um Willow herum nach dem Repetiergewehr und der kurzläufigen Schrotflinte, die er in bequemer Reichweite gegen den umgestürzten Baumstamm gelehnt hatte. Willow zuckte bei seiner Bewegung unwillkürlich zusammen, bevor ihr aufging, daß er sie nicht berühren würde. Als Caleb ihre Reaktion sah, preßte er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Er sagte jedoch nichts, sondern hob nur die Schrotflinte hoch. Mit den schnellen, geschickten Bewegungen eines Mannes, der einen bestimmten Handgriff bereits unzählige Male zuvor gemacht hat, zog er die Flinte aus ihrem schützenden Futteral aus Rehleder.
»Hier, nehmen Sie sie.«
Willow nahm ihm die Schrotflinte aus der Hand. Trotz des abgesägten Laufs war sie schwer, aber Willow hatte mit dem Gewicht gerechnet. Sie achtete darauf, daß die Mündung ausschließlich auf den Nachthimmel zeigte. Caleb nickte zufrieden. Willows Tun sagte ihm deutlicher als alle Worte, daß sie an die Handhabung einer großen Waffe gewöhnt war.
»Sie ist geladen«, sagte er kurz.
Sie lächelte ironisch. »Sonst würde sie ja auch nicht viel nützen, nicht?«
»Wissen Sie, wie man sie nachlädt?«
»Ja.«
Er warf eine kleine Schachtel in ihren Schoß. »Vierzig Patronen. Falls welche fehlen, wenn ich zurückkomme, wär’s besser, ich würde eine Leiche oder Blut auf dem Boden sehen.«
»Zurückkommen? Wo gehen Sie hin?«
»Ein paar Meilen von hier ist eine Siedlung. Ich will herausfinden, ob uns jemand auf den Fersen ist.«
»Wie könnte uns denn jemand gefolgt sein? Wir sind doch ausschließlich bei Dunkelheit und Regen geritten.«
Caleb blickte Willow aus schmalen goldenen Augen an. »Jeder in Denver wußte, daß wir in die Gegend von San Juan wollen. Jeder, der oben von unten unterscheiden kann, weiß, daß die Berge von San Juan im Südwesten von Denver liegen. Das Gebiet ist verdammt leer, aber das heißt nicht, daß der Zugang leicht wäre. Es gibt nicht mehr als eine Handvoll guter Pässe, und alle Straßen führen zu ihnen.«
Er wartete gespannt. Willow sagte jedoch nichts.
»Es gibt für uns nur zwei geeignete Routen, um ans Ziel zu kommen«, fuhr Caleb mit rauher Stimme fort. »Die eine führt an Canyon City vorbei, einen Seitenarm des Arkansas River hinauf, über einen Paß und dann zum Gunnison River hinunter. Auf diese Weise gelangt man in den nördlichen Zipfel des Gebiets von San Juan. Man kann aber auch siebzig Meilen weiter südlich an den Ausläufern der Rockies entlangreiten, dann quer durch die Ebene von Sangre de Christo, zum Rio Grande del Norte in der Gegend von Alamosa hinauf und weiter in nordwestlicher Richtung. Diese Route würde uns in den südöstlichen Zipfel der San Juans bringen.«
Wieder wartete Caleb gespannt. Willow blickte ihn eindringlich an, gab aber keinen Kommentar von sich.
»Hören Sie mir überhaupt zu, Lady?« fragte er ungeduldig.
»Ja.«
»Wenn ich weiß, wohin wir reiten müssen, dann weiß es auch jeder, der hinter uns her ist«, erklärte er. »Also, welche Route sollen wir nehmen - Canyon City oder Alamosa?«
Willow runzelte die Stirn, während sie sich die Landkarte in Erinnerung rief, die Matt in einem seiner Briefe mitgeschickt hatte und die jetzt im Futter ihrer großen Reisetasche verborgen war.
Er hatte sowohl Canyon City als auch Alamosa in seinem Brief erwähnt. Und noch eine ganze Reihe anderer Städte. Ohne jedoch einer den Vorzug zu geben. Alle waren als mögliche Routen vorgeschlagen worden, je nachdem, von wo aus die Moran-Brüder aufbrechen würden. Matt war sich darüber im klaren gewesen, daß es seine Brüder in alle möglichen Winkel des Landes hatte verschlagen können, und so hatte er Reiserouten in das Gebiet von San Juan aufgezeigt, die überall zwischen West Virginia und Texas, Kalifornien und Kanada begannen.
Matt hatte jedoch mit keinem Wort erwähnt, wo sich seine Goldmine befand. Er hatte nur fünf Berggipfel im Gebiet von San Juan markiert und darauf vertraut, daß seine Brüder ihn schon finden würden.
»Matt lebt an der westlichen Wasserscheide der Rocky Mountains«, sagte Willow langsam. »Der Gunnison ist der Hauptfluß, der den Teil des Landes entwässert, in dem Matt sich aufhält.«
Caleb knurrte. »Dieser Fluß entwässert eine Menge Land. Canyon City liegt näher an der nördlichen Wasserscheide des Gunnison, aber die Alamosa-Route führt über weniger steile Pässe.«
»Sollten wir nicht einfach den schnellsten Weg nehmen?«
»Donnerwetter! Wirklich
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