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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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die
Wolken hatten sich so hoch zurückgezogen, daß man den Peak
sehen konnte. Er war wirklich schön anzuschauen gewesen, wie
eine schwarzweiße Photographie; der graue Himmel und die
schwarzen Bäume und der weiße Berghang. Er war
vollständig schneebedeckt, und es war unmöglich gewesen,
die Zollstraße überhaupt auszumachen. Wir waren gezwungen
gewesen, mit den Clearys den Peak hinaufzuklettern.
    Als wir nach Hause kamen, hatte ich gesagt: »Im vorletzten
Sommer sind die Clearys gar nicht gekommen.«
    Mom hatte am Ofen ihre Fäustlinge ausgezogen und den
festgebackenen Schnee davon gepflückt. »Natürlich sind
sie nicht gekommen, Lynn«, hatte sie gesagt.
    Schnee war von meinem Mantel auf den Ofen gefallen und zischend
verdampft. »Das habe ich nicht gemeint«, hatte ich
gesagt. »Aber sie sollten in der ersten Juniwoche kommen. Kurz
nach Ricks Graduierung. Was also war los? Haben sie einfach nur so
beschlossen, nicht zu kommen, oder was?«
    »Ich weiß es nicht«, hatte sie gesagt, den Hut
abgenommen und die Haare geschüttelt. Ihr Pony war ganz
naß gewesen.
    »Vielleicht haben sie geschrieben, daß sie ihre
Pläne geändert haben«, hatte Mrs. Talbot
geäußert, »und das Postamt hat den Brief
verlegt.«
    »Es ist nicht wichtig«, war Moms Antwort gewesen.
    »Man sollte aber erwarten, daß sie geschrieben oder uns
sonstwie benachrichtigt hätten«, hatte ich gesagt.
    »Vielleicht hat das Postamt den Brief in den falschen
Briefkasten getan«, hatte Mrs. Talbot geäußert.
    »Es ist nicht wichtig.« Mom war gegangen, um ihren
Mantel in der Küche über die Leine zu hängen.
    Sie hatte kein weiteres Wort über die Clearys verloren. Als
Dad nach Hause gekommen war, hatte ich auch ihn nach ihnen gefragt;
aber er war zu sehr davon beansprucht gewesen, von seinem Ausflug zu
berichten, um mich auch nur wahrzunehmen.
    Stitch kam nicht. Ich pfiff noch einmal und ging zurück, um
zu sehen, wo er geblieben war. Er war den ganzen Weg bis zum
Fuß des Berges zurückgeblieben, wo er die Nase in etwas
vergrub. »Komm jetzt«, forderte ich ihn auf; er
drehte sich um, und da konnte ich sehen, weshalb er nicht gekommen
war. Er hatte sich in einem Stück heruntergefallenem
Elektrodraht verfangen. Er hatte es geschafft, sich die Leitung um
die Füße zu wickeln, wie er es zuweilen auch mit der Leine
macht – und je mehr er sich bemühte, frei zu werden, desto
unentwirrbarer verhedderte er sich.
    Er befand sich genau in der Mitte der Straße. Ich blieb am
Straßenrand stehen und zerbrach mir den Kopf darüber, wie
ich es anstellen konnte, ihn zu holen, ohne Fußabdrücke zu
hinterlassen. Oben auf dem Berg war die Straße noch ziemlich
gefroren, aber hier unten schmolz der Schnee noch, und das
Schmelzwasser lief in breiten Bächen über die Straße.
Ich streckte die Fußspitze in den Schlamm, und mein Turnschuh
versank einen Fingerbreit; also trat ich wieder zurück, wischte
meine Spur aus und säuberte mir die Hand an den Jeans. Ich
zermarterte mir das Hirn, was ich tun konnte. Dad ist in bezug auf
Fußspuren so paranoid, wie es Mom ist, wenn es um meine
Hände geht; aber wenn ich nach Einbruch der Dunkelheit noch
draußen bin, tobt er noch viel mehr. Wenn ich nicht rechtzeitig
zurück war, konnte es gut sein, daß er mir verbieten
würde, noch einmal zum Postamt zu gehen.
    Stitch war dem Bellen näher als je zuvor. Er hatte sich den
Draht inzwischen um den Hals gewickelt und war dabei, sich zu
strangulieren.
    »Also gut«, sagte ich, »ich komme ja
schon.«
    Ich sprang, soweit ich konnte, in einen der
Schmelzwasserbäche und watete in ihm bis zu Stitch hin,
während ich mich mehrmals umblickte, um mich zu vergewissern,
daß das Wasser meine Fußspuren auswusch.
    Ich befreite Stitch, indem ich den Draht wie das Garn von einer
Garnrolle von ihm abwickelte, und warf den Draht auf die
Straßenseite, auf der es von dem Pfosten herabhing; bereit,
Stitch aufzuhängen, wenn er das nächste Mal hier
vorbeikäme.
    »Du dämlicher Köter«, sagte ich. »Jetzt
aber Marsch!« und ich sprang auf die Seite der Straße
zurück und rannte in meinen triefendnassen Turnschuhen den Berg
hinauf.
    Stitch lief ungefähr fünf Schritte und blieb stehen, um
einen Baum zu beschnüffeln. »Komm weiter«, herrschte
ich ihn an. »Es wird dunkel. Dunkel!«
    Er flitzte wie eine abgefeuerte Kanonenkugel an mir vorbei und war
im Nu halb den Berg hinab. Stitch fürchtet sich vor der
Dunkelheit. Ich weiß, das ist sehr ungewöhnlich für
Hunde. Aber so ist

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