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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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und Paulos
saßen etwa in halber Höhe des Auditoriums und mitten in
der Reihe. Meg entschied sich gegen den Versuch, sich zu ihnen
durchzukämpfen, und nahm auf einem freien Sitz beinahe ganz
hinten Platz. Sie half Laynie aus ihrer Schneejacke und gab ihr ein
Päckchen Kaugummi.
    »Noch nicht«, erwiderte Meg. »Aber bald gibt’s
einen Film.« Hoffentlich.
    Sie versuchte, anhand der gestellten Fragen abzulesen, wie lange
sich die Fragestunde noch hinziehen mochte, aber es war
unmöglich. Die Fragen betrafen in wildem Durcheinander
Sonnenschatten, Schweißbrillengläser, Polyesterfolien und
Bailysche Perlen.
    Als sie das Gesicht des Diskussionsleiters studierte, hatte Meg
den Eindruck, daß einige der Fragen heute nicht zum ersten Mal
gestellt wurden. Er war vermutlich Lehrer, denn er wußte
offensichtlich nicht, wie man ein Mikrophon richtig hält.
Bestimmt war er Wissenschaftler, denn er trug einen Elektronenrechner
und fünf Stifte in der Hemdtasche. Seine Hosen reichten nur bis
zum Sockenrand.
    Meg fragte sich müßig, wo ihre vier Wissenschaftler
wohl sein mochten. Sie konnte sie unter den Anwesenden nicht
entdecken, obwohl mehrere Stetsons und eine grellorangene
Jagdmütze im Raum waren. Und eine Million Parkas. Wenn
Holubar diese Eklipse gesponsert hätte, dachte sie, sähe es genauso aus.
    Laynie stand auf ihrem Stuhl und bot dem älteren Pärchen
hinter ihnen Kaugummi an.
    Der wissenschaftliche Dozent unterbrach schließlich einen
der rothaarigen Jungen mitten in seiner Frage und gab Anweisung, den
Film vorzubereiten.
    Es war ein Film von National Geographic und zeigte eine
irgendwo über dem Ozean aufgenommene Sonnenfinsternis. Der
kommentierende Wissenschaftler war das genaue Ebenbild der vier, die
Meg gesehen hatte. Er trug sogar ein orangenes Hawaii-Hemd mit
Blumen.
    Er redete fünfzehn Minuten lang über den Ablauf der
Sonnenfinsternis, während Laynie völlig versunken auf die
Leinwand starrte und sogar vergaß, ihren Gummi zu kauen.
    »Die Tatsache, daß Sonnenverfinsterungen überhaupt
stattfinden, wird durch eine einmalige Konstellation in unserem
Sonnensystem möglich, die – soweit wir wissen – in
unserer ganzen Nachbarschaft im All einmalig ist. Die Eklipse
hängt vom Monddurchmesser ab, der
dreitausendvierhundertundachtzig Kilometer beträgt und somit
Punkt Null Null Zwei Fünf mal dem Durchmesser der Sonne
entspricht, der seinerseits…« Er unterbrach sich zum
zweiten Mal, um Gleichungen an der Tafel auszurechnen.
    Laynie genoß es. Das Wesentliche bei der Sache war nicht,
dachte Meg, daß es Eklipsen gab, weil alles im Universum
früher oder später den Weg alles übrigen nehmen und
einem die Aussicht verderben mußte. Die wunderbare Koinzidenz
bestand darin, daß sich Sonne und Mond geometrisch exakt
entsprachen, so daß es nicht nur eine völlige
Verfinsterung gab, sondern eine Korona, die Protuberanzen; dieses
ganze Schauspiel, das die Leute aus Meilen Entfernung anlockte.
    Laynie mußte auf die Toilette. Meg zog mit ihr nach unten in
eine mit Kabinen bestückte Halle und wäre beinahe mit ihren
Wissenschaftlern zusammengestoßen. Sie stürzten an ihr
vorbei und aus einer Nebentür hinaus auf den Tennisplatz der
Schule. Der Platz war hoch mit schmutzigem Schnee bedeckt, aber er
bot einen unverstellten Blick zum Himmel.
    Meg konnte jetzt erkennen, worüber sie diskutiert hatten. Der
Himmel war noch immer klar, nur wenige flockige Zirruswolken waren
über der sinkenden Sonne zu sehen, und diese bedrohliche Phalanx
von Wolken war verschwunden. Aber im Westen lag leichter Dunst, in
dem Meg jetzt den Vorboten eines heraufziehenden Unwetters erkannte.
Zudem eines großen Unwetters. Es mochte sie schon heute nacht
überziehen. Aber weshalb ließen die vier dann keine
Besorgnis erkennen?
    Sie sahen nicht im geringsten besorgt aus. Der Grund dafür
wird sich bald zeigen, dachte Meg, die sie durch die Tür
beobachtete, denn der Ausdruck in allen vier Gesichtern war nahezu
identisch, und ihre Gestikulation war weniger erregt und wirkte
besänftigt. Tatsächlich, dachte Meg, sahen sie ein wenig
selbstgefällig aus, wie Rich und Paulos, wenn sie den Fehler in
dem Programm gefunden hatten und endlich mit voller Kraft und ohne
Störungen fortfahren konnten. Sie fragte sich, wie der
Wetterbericht für morgen aussehen mochte. Ich muß ihn
nicht hören, dachte sie unlogisch, ich kenne ihn
schon.
    Sie beobachtete die Wissenschaftler noch eine Weile durch die
Tür und führte Laynie dann in die

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