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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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wurde sehr kühl, und
der Mond schien auch nicht die Absicht zu haben, noch blauer zu
werden; und selbst wenn, war das kein ausreichender Grund, sich zu
Tode zu frieren; deshalb zog sie sich die Mütze tiefer über
die Ohren und ging zwischen den Bonsais hindurch über die
geschwungene Brücke in Richtung Forschungsabteilung.
    Sobald sie die Brücke überquert hatte, trat Ulric Henry
an das mittlere Fenster und schloß es. Die Bewegung der beiden
Flügel verursachte einen kleinen Luftzug. Der abgerissene
Papierausdruck, der bisher reglos auf dem Sims gelegen hatte,
flatterte träge ein Stückchen näher dem Rand zu und
darüber hinaus… trudelte im blauen Mondenschein hinab; am
Papierdrachen vorbei… um schließlich auf dem
zweituntersten Ast der Pappel wieder zur Ruhe zu kommen.
    * * *
    Am Mittwochmorgen stand Mr. Mowen zeitig auf, weil er noch einige
Arbeiten in seinem Büro erledigen wollte, bevor die
Pressekonferenz begann. Sally schlief noch, deshalb setzte er den
Kaffee auf und ging ins Bad, um sich zu rasieren. Er stöpselte
den Stecker seines Elektrorasierers in die Dose über dem
Waschbecken… Prompt versagte die Glühbirne über dem
Spiegel ihren Dienst. Er zog den Stecker heraus und schraubte die
geschwärzte Birne aus der Fassung. Dann tappte er
bloßfüßig in die Küche, um nach einer neuen
Birne zu fahnden.
    Er ließ die ausgebrannte Birne vorsichtig in den
Abfallbehälter neben der Spüle fallen und fing damit an,
Schränke zu öffnen. Er nahm das Sirupglas aus dem
Küchenschrank, um dahinter nachzuschauen. Der Deckel erwies sich
als nicht richtig zugeschraubt, und das große Sirupglas fiel
mit einem satten Plumps um und begann sogleich, verschwenderisch
Sirup über das Innere des Schrankes auszugießen. Mr. Mowen
griff nach der Papier-Küchentuch-Rolle, riß in seiner Hast
einen untauglichen dreieckigen Fetzen ab, und versuchte, damit den
Sirup aufzuwischen. Er stieß den Salzstreuer um, der seinen
Inhalt über die Siruplache schüttete. Mr. Mowen riß
den Rest des Papiertuches ab und ging an den Heißwasserhahn, um
es zu befeuchten. Das Wasser kam als dampfendheißer Strahl aus
dem Hahn.
    Mr. Mowen sprang eilig zur Seite, um dem fast kochenden Wasser
auszuweichen, und stieß dabei den Abfalleimer um. Die
Glühbirne kullerte heraus und zerplatzte auf dem
Küchenboden. Mr. Mowen trat auf einen großen, zackigen
Glassplitter. Er zog weitere Papiertücher von der Rolle, um das
Blut zu stillen, und humpelte ins Bad zurück, um seinen
blutenden Fuß – den er beim Gehen nur mit der Kante
aufsetzte – zu verbinden.
    Er hatte vergessen, daß das Badezimmer zur Zeit ohne Licht
war. Er tastete sich zum Medizinschränkchen und stieß das
Shampoo und die Schachtel mit den Q-Tips ins Waschbecken, bevor er
das Verbandszeug fand. Auch bei der Shampooflasche war der
Schraubverschluß nicht richtig zugedreht gewesen. Mr. Mowen
nahm den metallenen Verbandskasten mit in die Küche.
    Der Deckel des Kastens hatte sich verklemmt, und bei dem Versuch,
ihn gewaltsam zu öffnen, zog sich Mr. Mowen einen Riß im
Daumen zu. Er bemühte sich weiter, und unvermittelt sprang der
Deckel auf, und die Wundschnellverbandpäckchen verteilten sich
über den Boden. Mr. Mowen hob eines davon auf, wobei er sorgsam
vermied, nochmals in einen Glassplitter zu treten; riß das
Schutzpapier ab und zog an dem rosa Aufreißfaden der
Zellophanverpackung. Er riß ab. Mr. Mowen sah ihn lange an,
dann versuchte er, die Verpackung an einer anderen Stelle zu
öffnen.
    Als Sally in die Küche kam, sah sie Mr. Mowen auf einem
Küchenstuhl sitzen und an seinem blutenden Daumen saugen und ein
Stück Küchenpapiertuch an den Fuß pressen.
    »Was ist passiert?« fragte sie.
    »Ich habe mich an einer kaputten Glühbirne
geschnitten«, erwiderte Mr. Mowen. »Sie erlosch,
während ich versuchte, mich zu rasieren.«
    Sie zog ein Küchenpapiertuch ab. Es riß exakt an der
Perforation ab, und Sally wickelte es um Mr. Mowens Daumen. »Du
solltest eigentlich wissen, daß man die Splitter einer
zerbrochenen Birne nicht von Hand aufheben sollte«, sagte sie.
»Du hättest einen Handfeger nehmen sollen.«
    »Ich habe nicht versucht, die Glassplitter aufzuheben«,
erwiderte er. »Ich habe mir den Daumen am Verbandskasten
verletzt. Den Fuß habe ich mir an dem Glas
geschnitten.«
    »Aha«, sagte Sally. »Du solltest eigentlich wissen,
daß man die Splitter einer zerbrochenen Birne nicht mit den
Füßen aufheben sollte.«
    »Das ist nicht komisch«, erwiderte Mr.

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