Brandzeichen
Hörer auf und dachte eine ganze Zeitlang nach. Sie hatte eigentlich erwartet, dass es in Glendale-Marsh kurz vor Juliets Entführung einen Mord gegeben hatte. Jetzt war sie enttäuscht, dass sie sich geirrt hatte. Trotzdem würde sie sich noch einmal im Kriminalarchiv von Florida danach erkundigen.
Sie ging zurück in ihr Labor, um sich wieder der Untersuchung der Knochen zu widmen. Sie lagen immer noch so da, wie sie sie verlassen hatte, und schienen auf sie zu warten. Auf einem Nebentisch stand ein Sandbecken, in dem die Schädelrekonstruktion des zweiten Opfers lag, die sie gestern begonnen hatte. In einem weiteren Sandbecken lag der erste teilweise rekonstruierte Schädel.
David hatte die Schachtel mit den Knochen, die er aus dem Lagerhaus mitgebracht hatte, auf ein Rolltischchen gestellt. Sie öffnete sie und legte deren Inhalt auf dem Tisch aus, wobei sie einige Fehlstellen des seltsamen Doppelskeletts ergänzen konnte. Tatsächlich hatten sich in dem im Lagerhaus ausgeschütteten Beweismaterial viele der bisher noch fehlenden Knochen oder Knochenstücke befunden.
Der fragmentierte Schädel war dagegen ein einziges Puzzle, bei dem sie allerdings weniger auf ein Gesamtbild als auf die diagnostischen Einzelheiten achtete – Foramen, Nähte, Kanäle, Gruben, Plattenränder, alles Zeichen, die zeigten, zu welchem Knochen das Fragment gehörte und wo auf dem Schädel es saß. Die meisten Teile fanden sich unter den Knochen, die David, Neva und Jin am Tatort gesammelt hatten. Sie bezweifelte, dass McNair kleine Knochen überhaupt identifizieren konnte, schon gar keine, die dermaßen verkohlt waren.
Sie fand mehrere Fragmente, die zu dem ersten Schädel gehörten, und klebte sie an die entsprechende Stelle. Dessen Gesichtsknochen waren jetzt wieder fast vollständig. Beim zweiten Schädel fügte sie zusätzlich zu dem Hinterkopf den ganzen linken Wangenknochen, die linke Augenhöhle und das linke Nasenbein zusammen. Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk, das jetzt langsam Gestalt anzunehmen begann. Sie arbeitete den ganzen Nachmittag an dieser Rekonstruktion. Am Ende hatte sie einen beträchtlichen Teil des Gesichts wiederhergestellt. Am nächsten Tag würde sie es einscannen können. Sie schaute auf die Uhr. Heute konnte sie direkt einmal etwas früher Schluss machen und daheim im eigenen Bett hoffentlich so richtig ausschlafen.
Als Diane vor ihrer Wohnung ankam, stieg ihr der Geruch von italienischem Essen in die Nase, bevor sie überhaupt die Tür öffnen konnte.
Frank,
dachte sie. Sie lächelte, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte, aufschloss und eintrat.
»Gott, das riecht aber gut«, sagte sie.
»Das soll es auch«, rief Frank aus der Küche. »Es sind meine berühmten Frank-Duncan-Spaghetti Supreme.«
»Die kommen wie gerufen. Ich habe zwar im Restaurant ausgiebig gefrühstückt, dann aber nichts zu Mittag gegessen«, sagte Diane.
In der Küche rührte er die Kasserolle um, in der die Spaghettisoße köchelte. Er küsste sie auf die Wange.
»Konntest du heute früher gehen?«, fragte sie.
»Ja. Ich habe einen wichtigen Fall abgeschlossen und mir dann gedacht, dass du mindestens eine Hauptmahlzeit ausgelassen hast. Und ich hatte ja recht«, sagte er und grinste sie an. »Es ist fast fertig; du hast gerade noch Zeit, dich umzuziehen und zu waschen.«
»Dann beeile ich mich mal besser.« Diane wusch sich die Hände, zog Trainingshosen und ein Hemd an und setzte sich dann barfuß an ihren Esstisch und wartete darauf, bedient zu werden. Frank hatte ihr bereits ein Glas Rotwein eingegossen. Diane nahm einen Schluck.
»Daran könnte ich mich gewöhnen«, sagte sie.
»Mir geht es genauso. Ich mag es, einmal etwas früher heimzukommen. Ich kann meine Pensionierung kaum erwarten.« Er küsste sie auf die Stirn, als er den Teller vor sie hinstellte. Dann holte er noch einen Salat und italienisches Brot aus der Küche und setzte sich zu ihr.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, rief sie aus.
»Ich hoffe, dass dabei für mich auch etwas abfällt.« Er grinste sie an.
Während sie aßen, fragte Diane ihn nach seinem Fall. Es handelte sich dabei um eine komplizierte Unterschlagung in einer großen Firma in Atlanta, an der sogar Leute aus Seattle beteiligt waren.
»Das Schwierigste in solchen Fällen ist, sie gerichtsfest zu machen«, sagte er. »Aber ich glaube, dass wir jetzt über genug Fakten und Indizien verfügen, um die Leute vor Gericht bringen zu können.«
Diane
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