Brandzeichen
noch die zerstörten Körper aufsammeln und die zerstörten Leben betrauern. Hatte dies etwa Archie dazu veranlasst, doch noch etwas »Sinnvolles«, wie er es selbst genannt hatte, dagegen zu unternehmen – wenn er denn tatsächlich der Mörder von Blake Stanton und Marcus McNair war?
»Also«, fuhr Jin fort, »ich habe ihr geantwortet, dass ich mich für seltsame Vermisstenfälle interessiere. Ich erzählte dann von dieser Sendung im Gerichtsfernsehen über Vermisste wie Richter Crater und Jimmy Hoffa, aber auch ganz gewöhnliche Leute, die auf geheimnisvolle Weise verschwunden sind. Unter anderem erwähnte ich diese Familie, die sich einfach in Luft aufgelöst hat. Niemand hat sie abreisen sehen; sie waren einfach nicht mehr da.«
»Und warum erzählen Sie uns das alles jetzt?«, fragte Diane.
»Das waren diese Leute hier – Quinn und Allie Sebestyen samt ihrer siebenjährigen Tochter Melissa und ihrem zehnjährigen Sohn Christian.«
»Lieber Gott, das wird ja immer seltsamer«, sagte Beth. Sie schaute sich etwas unsicher um, als ob sie »auf der dunklen Seite« solche seltsamen Dinge irgendwie erwartet hätte.
Diane brauchte eine Weile, um diese Information zu verarbeiten.
»Wann war das genau?«, fragte sie dann.
»Vor etwa zwanzig Jahren – 1987, glaube ich. Ja, es war 1987«, sagte Jin. »Seitdem hat man nie mehr etwas von ihnen gehört.«
Alle versanken in tiefes Schweigen.
»Ich glaube, ich lasse Sie alle allein weiter darüber nachdenken«, sagte Beth nach einiger Zeit und stand vom Tisch auf. »Soll ich mich um weitere Informationen über diese Leute kümmern?«
»Solange es Sie nicht von Ihrer übrigen Arbeit abhält«, sagte Diane.
»Das stand alles in Unterlagen, die ich über das Internet einsehen konnte. Ich musste dann nur noch einige zuvorkommende Menschen telefonisch bitten, nach einer Heirats- oder Sterbeurkunde zu schauen«, sagte sie.
»Das war ausgezeichnete Arbeit, Beth. Vielen Dank«, sagte Diane.
David stand auf, begleitete Beth bis vor die Tür des Kriminallabors und kehrte dann an den Tisch zurück.
»1987«, wiederholte Diane. »Das Jahr, in dem Juliet entführt wurde. Und sie hatten eine siebenjährige Tochter, die also genauso alt wie Juliet war. Sie und Juliet könnten Spielkameradinnen gewesen sein.«
»Ich habe den Eindruck, dass mir hier etwas Wichtiges entgeht«, sagte David.
»Mir geht es genauso«, sagte Neva. »Ich hatte die ganze Zeit schon große Schwierigkeiten, der Sache hier zu folgen. Zuerst diese Geheimbotschaft, und jetzt bekomme ich überhaupt nichts mehr mit.«
»Ich weiß«, sagte Diane. »Ich habe die meisten Informationen über Juliet bisher zurückgehalten – hauptsächlich, weil ich anfänglich nicht wusste, dass sie etwas mit dem Cipriano-Mord zu tun hatten. Ich wollte zuerst nur einer meiner Mitarbeiterinnen helfen. Außerdem sind das, was Juliet angeht, auch sehr private Dinge. Aber jetzt müssen wir alle zusammen diesen Fall lösen, da ich glaube, dass sie in großer Gefahr ist.«
Danach erzählte ihnen Diane Juliets ganze Geschichte. Sie berichtete von Juliets unklaren Erinnerungsfetzen und dass sie – Diane – vermute, dass die Angst vor neuen Puppen durch ein zweites Verbrechen hervorgerufen worden sei, dessen Zeugin Juliet geworden war. Diese Zeugenschaft habe dann auch kurz darauf ihre Entführung bewirkt.
»Waren das die Verbrechen, nach denen ich mich in Arizona und Florida erkundigen sollte?«, fragte David.
»Ja«, antwortete Diane.
»Du hast über diesen mysteriösen Fall Nachforschungen angestellt, während du die ganzen anderen Verbrechen hier in Rosewood untersucht hast?«, fragte Frank nach. »Und daneben leitest du noch dieses Museum?«
»Ja, allerdings war ich in letzter Zeit bei keiner dieser drei Sachen sehr erfolgreich, aber das wird sich ändern. Jin, gab es in dieser Fernsehsendung irgendwelche persönlichen Informationen über die Sebestyens?«
»Einige, aber nicht viele. Soweit ich mich erinnere, war Quinn Sebestyen Mathematikprofessor an einem Community College. Seine Frau war Schullehrerin. Die Kinder waren gute Schüler. Jeder mochte sie. Sie waren nach allem, was man hört, ein ganz gewöhnliches Ehepaar, eine ganz gewöhnliche Familie. Niemand wusste von irgendwelchen Eheproblemen, sie hatten kaum Schulden und überhaupt keine Laster. Die Polizei konnte keinen einzigen Grund finden, warum sie aus eigenem Antrieb verschwinden sollten oder jemand anderer ihnen Gewalt antun sollte. Sie konnten nur
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