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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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überaus lebhaften Spantenratt, der wahrscheinlich irgendwo pfiff und dazu tanzte, den Mittelpunkt einer lauten Menschenansammlung abgab. Oder dem Haarigen Jim, der jedermann um mindestens einen Kopf überragte, so daß man seinen wilden Krausschopf von weitem sehen konnte. Oder Staro den Stummel, so breit wie groß, im Schädel große braune Ochsenaugen, die noch unschuldiger dreinschauten, wenn er jemandem aufs Maul drosch, der sich über seine geringe Körpergröße belustigt hatte. Oder Spantenratts Schatten, dem braunen, hageren, schweigsamen Galgenstrick. Oder Leymas, Plünnenaff, Rudar, Fischkopf oder Saufaus. Kleine braunhäutige Männer, die Ähnlichkeit mit tausend anderen solchen Seeleuten von hundert fremden Schiffen hatten, doch Brann würde sie erkennen, sobald sie sie sah. Und Sammang. Unterhalb des Bauchs kribbelte es in Brann, als sie daran dachte, daß sie ihn möglicherweise wiedersehen sollte. Sie durchquerte die Reihen der Lagerhäuser, schritt die Molen ab, die in den Strom hinausragten, hielt überall, überall Umschau, das Gesicht einer Maske gleich, sie zauderte keinen Augenblick lang, wehrte Hände ab, die sie begrabschten, saugte den Kerlen, die nicht von ihr ablassen mochten, so viel Lebenskraft ab, daß sie völlig benommen davontorkelten. Von der West- bis zur Ostmauer der Stadt wanderte Brann und suchte, aber fand keinen von den Gesuchten; am Ostwall verweilte sie endlich, Tränen juckten ihr hinter den Augen, sie spürte etwas wie einen Klumpen in der Kehle — bis sie sich die Überzeugung eingeredet hatte, daß Sammang wohl gegen etwaige Verstrickungen seiner Männer vorbeugte, während er auf Brann wartete, und die beste Möglichkeit, um Ärger abzuwenden, bestand darin, sie aus dem Hafen fernzuhalten. Brann rieb sich die Stirn, bemühte sich um klares Überlegen. Wo könnte er stecken? Falls er da war. Wie könnte er sich sichtbar, auffindbar machen, ohne auffällig zu sein? Jawohl: Stellte man die Frage so, war die Antwort offenkundig. War er hier, saß er in einer Hafenschänke und wartete auf Branns Erscheinen.
    Sie durchmaß die Stadt nochmals in westlicher Richtung, tat einen Blick in jede Taverne, während sich der Nachmittag dem Ende zuneigte, überhörte lautstarke Angebote von Händlern, Schiffsherren, Seeleuten und anderen Männern, die ihr Verhalten mißdeuteten, überhörte auch die gehässigen Bemerkungen mehrerer Wirte, die gegen ihr oder Yarils Aufkreuzen in der Schankstube Einwände hatten. Als sich Schatten über die Straßen breiteten und auf den Fluß legten, näherte sich Brann einer reichlich verkommenen Spelunke an der Westmauer. Inzwischen wollten die Füße Brann nicht mehr gehorchen, ihre Knie waren das Beugen müde, sie stand kurz vor dem Aufgeben. Wahrscheinlich war es Sammang, sobald sie aus seinen Augen, seiner Reichweite verschwunden gewesen war, sehr leicht gefallen, zu der Ansicht zu gelangen, er sei ein Narr, sich alles anders zu überlegen und ungefährlichere Gewässer anzulaufen.
    Ohne viel Hoffnung schob sich Brann zur Tür hinein, blickte sich drinnen um, blinzelte ins Zwielicht, versuchte die Gesichter der dunklen Gestalten zu erkennen, die an den Tischen des Schankraums saßen. Der Mann hinter der Theke verließ seinen Platz, eilte durch die Stube, ein kleiner rundlicher Kerl ohne Saft und Kraft.
    »Wir wollen hier keine Kinder. Du solltest dich schämen, Weib, in deinem Gewerbe ein Kind zu mißbrauchen. Hinaus mit dir, verschwinde, hinaus, hinaus!« Er fuchtelte mit schwammigen Händchen, ähnlich wie eine Bäuerin es tun mochte, die Hühner aus dem Kräutergarten ihrer Küche verscheuchte.
    Brann betrachtete ihn von oben; er überforderte ihre Geduld. »Du nennst mich eine Hure, du Zwerg?«
    Er prallte zurück. »Kein Grund zu Streitigkeiten, was schert's denn mich, was du treibst? Bloß treib's nicht hier.«
    »Ich habe nichts anderes zu >treiben< vor, als mich hinzusetzen und einen Becher Wein zu trinken, und meine kleine Freundin wird das gleiche tun.« Brann drängte sich an ihm vorüber, ging zur Theke, schwang sich auf einen Sitz, rieb sich die Knie. Yaril klomm neben ihr auf einen Sitz, stützte das schmale Kinn in die Handflächen, die Ellbogen aufs alte dunkle Holz.
    Aus einem der finstersten Winkel der Schankstube drang ein Auflachen. Branns Magen drohte sich aufzubäumen, es verschlug ihr den Atem, als sie die Stimme erkannte. Sammang trat in den Lampenschein, blieb bei Brann stehen. »Ich grüße dich, Hexe. Du hast's also

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