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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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waren sie da. Obwohl Älteste Großmutter neben der Tür verdrossen irgendwelches Zeug zu faseln begann, Brann ärgerlich anstierte — die sie nach dem knappen Lächeln jedoch mißachtete —, umschwebten die übrigen Geister die Besucherin, näherten sich ihr langsam. Einer nach dem anderen huschten sie zu ihr, strichen über ihre Gestalt, betasteten sie, um durch die Finger ihren Geschmack aufzunehmen. Als sage der Geschmack ihnen zu, beruhigten sie sich, gaben sich zufrieden, die zerfransten Ränder ihrer Erscheinungen gewannen an Schärfe.
    Aituatea lugte in den Kessel, aber das Wasser würde noch etwas Zeit brauchen, bis es kochte; danach betrachtete er stumm seine Hände, voller Abneigung, da nun der geeignete Augenblick vorhanden war, gegen das Aussprechen der Worte, die ihn zu einem Angriff auf die Kadda-Hexe verpflichten müßten. Die Geister scharten sich um ihn, seine Familie, tätschelten ihn, murmelten auf ihn ein, leisteten ihm an Unterstützung und Bestärkung, was sie konnten. Warum brachte er die Sache nicht hinter sich? »Ich weiß nicht, warum du nach Silili gekommen bist.«
    »Stimmt.« Brann lächelte, fuhr mit dem Daumen an der Unterlippe entlang. »Du weißt es nicht.«
    »Tja, es ist auch unerheblich. Im Palast des Tekoras wohnt eine Kadda-Hexe. Seine Gemahlin.«
    »Dann ist der Mann ein Narr.«
    »Dem mag ich nicht widersprechen. Und sie ist's, die daran die Schuld trägt, daß Hotea ertrank. Wir möchten, daß du uns dabei hilfst, sie zur Strecke zu bringen.«
    »In des Tekoras Palast.« Brann lachte ein herzhaftes, genüßliches Lachen.
    Aituatea entsann sich an die Art und Weise, wie sie zu den Fackeln vorm Palasttor hinaufgespäht hatte. Er stand auf, ging zur entfernten Seite der länglichen Räumlichkeit, trat hinter den Wandschirm, der die Ecke abteilte, in der sein Bett stand. Die dunkelrote Lackschachtel lag noch da, wo er sie zwischen den Mulden und Falten der zerwühlten Steppdecken hinterlassen hatte. Er betrachtete das ungemachte Bett und fragte sich, ob er je wieder darin schlafen würde; während er sich auf die Lippen biß, nahm er die Schachtel an sich und kehrte damit zurück zu Brann. Er schob sie auf den niedrigen Tisch neben der Armlehne ihres Stuhls, begab sich auf Abstand. Als er das Feuerbecken anblickte, sah er noch immer keinen Dampf aufsteigen, darum ließ er sich erneut auf seinem Stuhl nieder. »Der Alte hat gesagt, damit könnten wir dich anwerben.«
    Brann hob die Schachtel vom Tischchen, setzte sie sich auf die Oberschenkel. Nachdem sie sie sich einen Augenblick lang aufmerksam besehen hatte, entfernte sie den Deckel. Ihr ruckhaftes Einatmen erzeugte etwas wie einen leisen Wisperlaut. »Das'n vuor.« Sie entnahm die schwarze Kanne dem Polster aus feiner weißer Seide, betastete sie; ihr Gesicht bekam einen Ausdruck seltsamer Anspannung, sie drehte das Behältnis um, ihre Finger strichen über den Boden. »Sein Zeichen«, flüsterte sie. »Die letzte Fertigung.« Sie stellte das Kännchen zurück auf den Tisch, faßte einen der Becher, umfing ihn mit beiden Händen. »Daß du dies Geschirr gefunden hast ... ausgerechnet dies! Ich erinnere mich ... Slyas Segen, ach, ich erinnere mich ... Diesen Becher hielt ich schon einmal in den Händen, gleich nachdem mein Vater ihn aus dem Brennofen geholt hatte. Ich war mit meinem Vater hinauf zum Tincreal gegangen, wir hatten die letzten Becher zum Brennen dabei, und wir blieben die ganze Nacht und am nächsten Tag bis nach dem Mittagsgesang. Die ersten drei Becher, die er aus dem Brennofen holte, zerbrach er, sie waren nicht gut genug gelungen, und dies war das vierte Stück, er gab es mir in die Hand, und da erkannte ich, was Vollkommenheit ist, zum erstenmal wußte ich, was Vollkommenheit bedeutet ...« Sie schüttelte den Kopf, wie um Schleier zu verscheuchen, die ihre Erinnerungen trübten.
    »Der Alte hat gesagt, damit könnten wir dich anwerben.« Aituatea wiederholte seine Äußerung, obwohl er wußte, wie unhöflich und ungehobelt sie war, daß sie Brann vielleicht verärgerten, doch er sah mit Schrecken, wie ihr die Fassung schwand. Er wollte, daß sie ein Mensch voller Macht blieb, eine durch nichts zu erschütternde Person, ganz so, wie er sie das erste Mal erblickt hatte. Wie könnte sie sich der Hexe gegenüber behaupten?
    »Und der Alte hat recht, verflucht sei seine verdrehte Seele!« Brann senkte den Becher in sein Polster, setzte der Schachtel den Deckel auf. »Du hast mich angeworben, Hina. Für dies

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