Brann 01 - Seelentrinkerin
zu prallen, hinaus auf die Tanzfläche.
Während Taguiloa sich selbst und seine Keulen umherwirbelte, wieselte Jaril als schattengraues Frettchen durch die von Lampen erhellten Flure, bis er ins Freie gelangte, erhob sich dann als Nebelkranich in die Lüfte, flog durch den Regen und stieß zu Yaril, die in den Wolken kreiste und schon auf ihn wartete, weil es nun stark regnete, ebenfalls als Nebelkranich. Zusammen schwebten sie durchs Gewölk zum anderen Ufer des Sees, überflogen die in den Regenschleiern wie formlosen Steinmassen des Riesenpalasts und näherten sich den Sklavenwerkstätten an der Rückseite. »War schon Wachablösung?« »Müßte so sein, aber wir werden's nachprüfen.« Die beiden Kraniche ließen sich auf dem Dach des Wachturms nieder, ihre Gestalten verschwammen, sanken durch die Dachschindeln, hingen als getupfte Schlangen unterm Dach, nahezu unsichtbar im Wallen der Schatten, die die geruchsstarken Öllampen warfen, die mitten auf einem verwetzten Tisch standen. Anfangs blieb die Turmstube leer, dann kamen Wächter herein, stapften umher, schüttelten Feuchtigkeit ab, wischten sich mit den durchnäßten Umhängen Gesichter, Arme und Beine, danach mit einer Decke von der Pritsche in der Ecke, murrten fortwährend darüber, einen Haufen Lehmfüße bewachen zu müssen, ohne sich wenigstens ein bißchen mit den Weibern vergnügen zu dürfen, die ganze Nacht lang, bloß für den Fall, daß einer dieser stinkigen Dreckfresser abzuhauen versuchte, hier herumsitzen und frieren mußten.
Yaril hob den Schlangenkopf, blickte Jaril an, nickte. Sie verwandelte sich in ein Geschöpf, das große Ähnlichkeit mit einem geflügelten Krallenaffen besaß, der Giftzähne hatte, hangelte sich lautlos an den Dachbalken entlang, bis sie über einem Wächter hing. Als sie ein Schnalzen Jarils hörte, das anzeigte, auch er sei bereit, schwebte sie auf geräuschlosen Schwingen abwärts, landete auf Rücken und Schulter des ausersehenen Opfers, biß ihm die Zähne in den Hals, stieß sich ab, ehe der Mann sie packen konnte, flatterte in enger Schraubenbewegung aufwärts, als er zusammensackte, noch einmal schwach zuckte, ein wenig Schaum auf den Lippen. Jaril schlug sofort nach ihr zu, sein Opfer fiel über den anderen Wächter, war tot, ehe er sich ausstreckte.
Jaril und Yaril zerfaserten zu Lichtschlieren, schwebten durchs Dach zurück ins Freie und flogen hinab zum Tor. Mit lediglich geringfügigen Schwierigkeiten hoben sie den Riegel aus der Aufhängung, ließen jedoch das Tor geschlossen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie schwebten durch die Balken, aus denen es bestand, verwandelten sich dahinter in kleine blonde Kinder, die durch den Regen, ohne naß zu werden, zu den Unterkünften eilten.
Mit einem Tritt beförderte Taguiloa die Keule in die Luft, hüpfte umher und hielt sich mit einer Hand den Fuß, ließ gleichzeitig mit der anderen Hand die Keule durch Schleifen kreisen, in der Miene einen übertriebenen Ausdruck der Pein. Indem er die Keule noch höher als zuvor emporwarf, tanzte er vor und zurück, während die Keule in die Höhe flog, näherte sich der anderen Keule, die auf dem Fußboden lag, die Musik schrillte durchdringender. Er trat mit der Ferse auf die abgelegte Keule, überschlug sich hintenüber und machte eine Reihe von Rückwärtspurzelbäumen, landete flach auf dem Rücken, fing die hochgeworfene Keule erneut auf, ehe sie ihm auf den Kopf fiel, schwenkte sie wie im Triumph, dann ließ er den Arm fallen, die Keule knallte auf den Boden, und im selben Augenblick verstummte die Musik so abgehackt wie infolge eines Schwerthiebs. Einige Atemzüge lang blieb er still liegen, dann schwang er sich durch rasches Zusammenkrümmen des Körpers in die Senkrechte, vollführte eine Verbeugung und lief von der mit Matten gepolsterten Fläche des Saals in den Sichtschutz der Wandschirme.
Während Taguiloas gesamter Darbietung hatte die Linke Hand des Kaisers unmißverständliche Anzeichen der Heiterkeit gezeigt, sich allem Anschein nach dazu durchgerungen, diesen Schaustellern sein Wohlwollen zu schenken. Die Jugend des Meslarviertels stampfte auch diesmal mit den Füßen und stieß Pfiffe der Begeisterung aus. Taguiloa trat noch einmal vor die Zuschauer, verbeugte sich nochmals, zog sich wieder hinter die Wandschirme zurück. Negomas und Linjijan spielten eine ruhige Melodie, während Harra, noch außer Sicht, ihre Reifen um die Handgelenke streifte und die Fingerglöckchen anlegte. Sie nickte
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