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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Taris Mädchen, musterte es kurz, um sich dessen zu vergewissern, daß es keiner Art von Druck oder Nötigung unterlag, nickte der Tänzerin zu und schlenderte in den Alkoven, der als Wasch- und Umkleideraum diente. Sobald er Hände und Gesicht von der Schminke gereinigt hatte, legte er die seidene Artistenkleidung ab, hüllte sich in ein langes dunkles Gewand, schob die Füße in die alten verschlissenen Sandalen, die er stets mitnahm, wenn ausgedehnte, anstrengende, schwierige Vorstellungen bevorstanden. Er knüpfte sich eine schwarze Schärpe um die Hüften, kehrte in den Hauptraum des Pavillons zurück, schaute rundum. Chinkoury, der m'darjinische Zauberer, und seine Jünglinge bildeten am Eingang eine kleine Traube, hochaufgeschossene Gestalten mit blauschwarzer Haut, selbst die Jünglinge waren einen Kopf größer als Taguiloa. Etwas dahinter, seitlich von ihnen, bereitete sich eine Gruppe felhiddinischer Dolchtänzer vor, sie beugten und reckten sich, überprüften ihre Ausstattung, nahmen einander in Augenschein, schwatzten schnellzüngig in ihrer kehligen Sprache, kleine braunhäutige Männer, bedeckt mit großflächigen Tätowierungen. Er kannte sie nicht, sie mußten neu in Silili sein. Man konnte sich darauf verlassen, daß Csermanoa immer etwas ausfindig machte, was noch niemand gesehen hatte. In der hintersten Ecke lagen zusammengekauert sechs junge Weiber, gönnten sich Schlaf, solange sich die Gelegenheit bot, oder holten ihn nach, eher Freudenmädchen als Tänzerinnen, sie standen in der Rangordnung über den gewöhnlichen Huren, aber weit unter den Kurtisanen, obwohl ihre Mehrzahl entsprechende Hoffnungen hegen durfte. Sie waren zuletzt an der Reihe — mit beiderlei Aufgaben — und konnten erwarten, mit mehr als bloß dem Lohn für die Teilnahme nach Hause zu gehen, wenn sie es zustande brachten, sogar mit längerfristigen Bindungen.
    Taguiloa nickte Chinkoury zu und verließ den Pavillon. Er suchte den Schatten auf und sah für noch ein Weilchen den Tänzerinnen zu, sprach Tari bei sich seine Anerkennung für all die Begabung aus, die sie vor diesen trunkenen Pfeffersäcken vergeudete. Einen Augenblick lang betrachtete er die Krämer mit der ganzen Verachtung, die er sonst verheimlichen mußte; etliche fraßen und soffen, manche schnarchten frank und frei, andere schlurften im Sommergarten umher, eine Anzahl verfolgte die Darbietungen der Tänzerinnen, einige davon jedoch mit zusammengesteckten Köpfen und ungemein verschwörerischem Gebaren, ein Verhalten, aus dem sich schlußfolgern ließ, daß sie entweder neue geschäftliche Machenschaften ausheckten oder aber voreinander mit Geschichten früherer derartiger Umtriebe prahlten, um die eigene Schlauheit herauszukehren. Höchstens ein, zwei Händler beachteten Schwarzdorns tänzerische Leistungen mit einem Anflug von Würdigung und Verständnis dessen, was sie sahen, des Zauberhaften, das sie auf den Korkmatten vor dem bemalten Sarg entfaltete. Taguiloa wischte sich den Ärmel übers Gesicht, fühlte sich gleichermaßen belustigt wie verärgert. Inzwischen müßte ich es ja wissen, dachte er, mittlerweile müßte ich wissen, was man zu erwarten hat. Er unterdrückte seinen Verdruß, beobachtete Schwarzdorn beim Beenden ihres Tanzes, sah sie sich erst vorm Sarg verbeugen — ihre Ärmel streiften gefährlich dicht die zahlreichen Kerzen, die in der Umgebung der prächtig beschnitzten Totenkiste brannten —, danach vor der Zuschauerschaft, die sich wenigstens als so geistesgegenwärtig erwies, anstandshalber Beifall zu spenden, denn immerhin war sie ja Schwarzdorn, die gefeiertste Tänzerin seit drei Geschlechtern. Während ihre Gehilfinnen mit Gekicher unter die Zuschauer schwärmten, mit den Sammeltöpfen klapperten, Gegrabsche auswichen, die Köpfe über zotige Bemerkungen schüttelten, dennoch dazu schwiegen und lächelten, entschwand Schwarzdorn mit großherrlicher Gebärde ins Dunkel, gefolgt von ihren Tänzerinnen, und der Flötist spielte eine langsame schlichte Melodie, die verklang, als auch die letzten Mädchen aus dem Innenhof abgingen.
    In der Stille vor Chinkourys Auftritt hörte Taguiloa gedämpfte Unruhe aus der Richtung des Haupttors und erlag der Neugierde, die als seine schwerste Untugend gelten mußte. Hastig spähte er umher, doch das laute Schallen von Becken, Aufwallen gefärbten Rauchs sowie marktschreierische Gejohle der Gehilfen, die ihren Meister zu den Korkmatten geleiteten, beanspruchten nun die Aufmerksamkeit der

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