Brann 01 - Seelentrinkerin
meisten Gäste und Bediensteten; alle, die jetzt noch schwatzten, würden es nicht einmal merken, stiege der alte Csagalgasoa aus dem Sarg und begänne auf dessen Deckel zu tanzen. Er huschte davon, versteckte sich in einer stockfinsteren Ecke des Vorhofs, zusätzlich vor Entdeckung geschützt durch einen eingetopften Schwarzdorn, den Tari einmal Csermanoa geschenkt hatte, als er noch — bevor sie von einem anderen Liebhaber Haus und Rente erbte — ihrem auserwählten Häuflein von Günstlingen angehörte.
Der alte Grum verstummte, knallte das Guckfensterchen des Tors zu, drehte den Riegel des Mannpförtchens und öffnete es, um die Personen einzulassen, mit denen er gestritten hatte.
Einen Mann und eine Frau. Keine Hina. Zwei hellblonde Kinder. Ebensowenig Hina.
»Wartet!« forderte Grum die Ankömmlinge auf. »Wartet hier!« Zum drittenmal riß er an der Klingelschnur, dann stapfte er zu seinem Pförtnerhäuschen und ging hinein.
Der Mann hatte einen starken Wuchs und Muskeln wie ein Heldenstandbild, dem Aussehen nach mußte er Panday sein, er war kaum größer als Taguiloa, aber gut und gern doppelt so breit. Im Fackelschein schimmerte seine Haut in dunklem Braun, er besaß gelbe Augen, Falkenaugen. Taguiloa grinste. Diese Augen paßten zu der Hakennase. Der Mund des Fremden war groß und recht wulstlippig, eignete sich vorzüglich zum Grinsen oder zu hämischem Schmunzeln. Struppig gestutztes schwarzes Haar bedeckte den Kopf. Er trug barbarischen Ohrschmuck, einen Ohrring in der Länge eines Fingers, lauter miteinander verbundene Tierfratzen. Der Kleidung zufolge ein Schiffsherr.
Das Weib war hochgewachsen und strotzte geradezu von ruheloser innerer Kraft. Für eine Frau, die keine Hina war, hatte sie ein hübsches Gesicht vorzuweisen, mit ziemlich breitem Mund, geschwungenen Wangenknochen und einer Nase, die Überheblichkeit verriet; über ihren großen glänzenden Augen wölbten sich die Brauen wie Schwalbenschwingen. Grün waren ihre Augen, glaubte Taguiloa, obwohl das Fackellicht es erschwerte, in dieser Hinsicht sicher zu sein. Sie hatte einen Schal aus Seide um den Kopf gewunden, der ihr Haar verbarg. Gekleidet war sie in eine weiße Bluse mit langen weiten Ärmeln, einen weißen, vorn mit Riemen geschlossenen Ledergürtel und eine lange schwarze, ebenfalls weite, achtlos in die Stulpen schwarzer Stiefel gestopfte Hose. Schmuck trug sie nicht, und man sah an ihr auch keine Waffen, aber Taguiloa vermochte ihre Gefährlichkeit regelrecht zu riechen, ganz wie ein starkes Duftwasser.
Dombro, der Verwalter, kam in den Hof, strebte eilends hinüber zu den Besuchern. »Schiffsherr Sammang, du findest dich dieses Jahr früh ein.«
»Aber spät am Abend, wofür ich deines Herrn Vergebung erbitte, doch es ist wichtig, daß ich mit ihm sprechen kann.«
»Das ist Sao Csermanoa mitgeteilt worden. Er läßt fragen, ob du im Gartenhaus des Frühlingsgartens ein wenig warten könntest, Schiffsherr. Noch kann er sich seinen Gästen nicht entziehen.«
Taguiloa schnitt wegen des Verwalters eine böse Miene. Ein kleingeistiger Wurm war der Mann. Artisten mußten von ihm eine Menge Gemeinheiten einstecken; er wirkte, als würde er allzugern seine Boshaftigkeit an dem Schiffsherrn erproben, doch anscheinend traute er sich nicht so recht. Offenbar hatte der Panday für Csermanoa eine Bedeutung. Taguiloa sah den Schiffsherrn nicken und dem Verwalter folgen; er wartete ein paar Augenblicke lang ab, dann schlich er ihnen nach. In diesem Haus waren ihm schon viele Fremdlinge über den Weg gelaufen. Csermanoa hegte die vielfältigsten Interessen; wiewohl die temuengischen Gesetze es den Hina verboten, eine eigene Handelsschiffahrt zu unterhalten, betätigte er sich — ganz im stillen —, als Teilhaber so manches Schiffseigners, und Taguiloas Schnüffeleien hatten ihm zu der erstaunlichen Einsicht verholfen, daß der hochgeachtete Handelsmann Csermanoa auch in beträchtlichem Umfang als Hehler tätig war; über diese Tatsache vernahm man auf den Marktplätzen in und um Silili kein Wörtchen, und Taguiloa wäre, hätte er jemandem davon erzählt, als Mondträumer verspottet worden, doch geizte er mit der Kenntnis der durch ihn entdeckten Geheimnisse, bisweilen schwelgte er ganz für sich in seinem Alleinwissen, wenn der Schlaf ihn floh.
Mit angespannten Sinnen huschte Taguiloa die düsteren Pfade entlang; falls die Ankömmlinge in einem Zusammenhang mit den verdeckten Seiten von Csermanoas Geschäften standen, war zu
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